Workshop „Kerndatensatz Forschung“: Tag 2

Auch der zweite Tag des DINI AG FIS Workshops „Kerndatensatz Forschung – und nun?“  war sehr intensiv und geprägt vom vielseitigen Austausch und lebhaften Diskussionen. Phantasievoll und anschaulich waren die verwendeten Metaphern und Vergleiche zur Notwendigkeit und Erfahrung mit FIS und reichten von Loriot bis Bowie: Das Leben ohne Forschungsinformationssystem ist möglich aber sinnlos und (fast) alle sind (noch) Absolute Beginners. Außerdem wurde klar: Forschungsinformation ohne Informationssystem sind ähnlich sinnvoll wie Wirtschaftsinformatik ohne Computer. Die Frage nach dem Preis eines Forschungsinformationssystems ist hingegen genauso (wenig) einfach zu beantworten wie etwa die Frage nach „Was kostet mich ein Haus?“

Der Tag begann mit einem Beitrag von Sophie Biesenbender vom  DZHW zum KDSF Helpdesk  und startete erst mal mit einer Einführung in die Begrifflichkeiten des Kerndatensatz (Kern, Schale, Weiterentwicklungsfelder) sowie den Zielen und Anwendungsprinzipien. Zur konkreten Einführung des Kerndatensatz ist seit Februar 2017 der „Helpdesk“ aktiv. Der konkrete Inhalt der Beratungstätigkeit wird sich sicherlich noch entwickeln müssen, aber man startet mit dem Ziel, viel Transparenz zu schaffen, und den Organisationen dabei zu helfen Prozesswissen zu generieren. Auch möchte man die Bedarfe der Community genauer identifizieren. Daher sind neben der Beratungstätigkeit auch Workshops angedacht. Bei den zu erwartenden hohen Nachfragen zu datenschutzrechtlichen (institutionellen) Bestimmungen will der Helpdesk die Einrichtung aktiv unterstützen und ggf. detailliert prüfen.

In der anschließenden Diskussion kam sofort die Frage auf, ob es nicht auch einen technischen Support durch den Helpdesk für Entwickler geben kann. Hier ist man sich nicht sicher, ob das leistbar ist. Sicherlich sei es aber nicht schädlich, diesen Bedarf anzumelden, so Sophie Biesenbender. „Wird denn auch international gedacht und vernetzt“, wurde aus dem Publikum gefragt? „Im Prinzip ja“, sagte Frau Biesenbender: „Der Helpdesk will auch hier über den Tellerrand gucken und wenn möglich weitere Begleitforschungsprojekte unterstützen“. Dabei wurde durch den anwesenden Kollegen von der Uni Cambridge/ UK schnell klar, dass dort „Kerndaten“ zu Forschungsinformationen vollkommen anders definiert und behandelt werden.

Das Fazit von Frau Biesenbender: Beim Kerndatensatz sind folgende Dinge wichtig: Datenschutz, Einschätzung und Minimalisierung des Verarbeitungsaufwands sowie Qualität und Vergleichbarkeit der Daten.

An diese Ausführungen schlossen sich vier Praxisberichte vom Karlsruher Institut für Technologie, den Universitäten Hannover, Münster und der Hochschule Fulda an:

  1. Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
    Am KIT vollzieht man die Evolution vom ursprünglich geplanten Forschungsinformationssystem-Monolith zum (weitgehend selbstentwickelten) modularen System. Große Herausforderungen stellen die spezifische Helmholtz-Berichterstattung (Programmorientierte Förderung) und das Zusammenwachsen der beiden Standorte in Karlsruhe dar.
    Lessons Learned am KIT: Ein Forschungsinformationssystem benötigt ein klares Organisations- und Prozessmanagement sowie ein eindeutiges Anforderungsmanagement. In Karlsruhe versucht man ein Trying-to-keep-everybody-happy with Moppps-FIS (modulares publikations-, projekte-, patente-, promotionen-FIS).  Nach den gemachten Erfahrungen ist jetzt das Motto: Bestehendes integrieren, Fehlendes ergänzen, in kleinen Schritten und iterativ vorgehen. Das Aggregationssystem des Forschungsinformationssystems wird als Servicebündel verstanden, das über ein entsprechendes Berechtigungskonzept verfügt. Das System ist weitgehend eine Eigenentwicklung.
  1. Leibniz Universität Hannover
    Reingis Hauck ging auf die Rolle des Kerndatensatzes ein, die er bei der Implementierung des hannoveranischen Forschungsinformationssystems gespielt hat, bei dem PURE von Elsevier verwendet wird. Im Zentrum stehen umfangreiche Mappings des Kerndatensatz für Publikationen und Projekte. Ihrer Erfahrung nach stößt ein Forschungsinformationssystem bei Forschungsmanagern vor allem im Bereich der internationalen Kooperationen auf großes Interesse. Der Ansatz für die Stammdatenpflege der externen Organisationen mit einem Mix aus Daten des DFG Research Explorers und SciVal sorgten für einen Aha-Effekt im Publikum. Als Anknüpfungspunkt an die Diskussion vom Vortag um die künftigen Erweiterungen des KDSF, kommt auch in Hannover der Bedarf nach Standardisierungen im Bereich der Forschungsfelder auf.
  1. Westfälische Wilhelms-Universität Münster / CRIS.NRW – Landesinitiative zur Umsetzung des Kerndatensatz Forschung in NRW
    Malte Kramer startete mit einer Immobilienanalogie zu: „Was kostet ein Forschunginformationssystem?“  Das sei genauso einfach wie die Frage „Was kostet mich ein Haus?“. Denn ein Forschungsinformationssystem kann je nach Standort ganz unterschiedliche Ausprägungen annehmen und Erwartungen erfüllen. Insgesamt besteht ein großes Commitment in NRW für den Kerndatensatz Forschung. Eine Umfrage aus Münster zum Status Quo der Landschaft von Forschungsinformationssystemen in NRW brachte es an den Tag: Fast alle sind noch am Anfang, aber ein kollaboratives und nachnutzendes Vorgehen bei der Umsetzung ist bei allen Unis gewünscht.  Die gegründete Landesinitiative in NRW – CRIS.NRW – steht dabei unterstützend zur Verfügung.
  1. Hochschule Fulda / HeFIS-Verbund
    Die Hochschule Fulda führt seit 2014 Converis als FIS ein, ein modularer Rollout ist für Mai 2017 geplant. Hier gibt es eine ganze Menge von bereits fertigen und noch zu implementierenden Anbindungen und Schnittstellen zu Converis. Auch das Rollen- und Rechtekonzept ist sehr umfangreich und durchdacht. Laura Rodriguez zeigte 5 von 16 Rollen aus dem umfangreichen Rechtekonzept in Converis.

Die anschließende Mittagspause bot ausführliche Zeit zur Vernetzung und Diskussionen rund um mehrere Poster von Einrichtungen, Forschungsförderern und Anbietern von Forschungsinformationssystemen.

Im Zentrum stand u.a. eine Deutschlandkarte, die die Möglichkeit bot, Aktivitäten zu Forschungsinformationssystemen in Deutschland festzuhalten. Das rege Interesse zeigte, dass es allerorten noch viele offene Fragen bei der lokalen Implementierung, aber auch ein großes Interesse zu weiterem Austausch und Kooperation gibt. Zur Verwendung eines Linked-Open-Data-Ansatzes bei der Umsetzung eines Forschungsinformationssystems mit VIVO als ein Open-Source-Ansatz für ein Forschungsinformationssystem freuen sich die Implementierer rund um Christian Hauschke von der TIB: “Das macht Spaß und wir freuen uns auf einen regen Austausch.“

 

Danach ging es weiter mit Informationen zu ORCID
Heinz Pampel stellte die Mehrwerte von ORCID und das Projekt ORCID DE vor: Neben der grundsätzlich nötigen und sinnvollen weiteren Verbreitung von ORCID bestehen die Herausforderungen für das Projekt ORCID DE hinsichtlich der Erweiterung um globale Identifier für weitere Objekte wie Förderer, Affiliations und Projekte.

Die Abschlussrunde bildete die DINI AG FIS in Form einer Fishbowl, die das Publikum rege mit einbezog. Im Kern standen folgende Punkte:

  • Gebraucht wird ein „Zünder“ für den Kerndatensatz
    Wie mehrmals betont ist eine der größten Herausforderungen für den KDSF das bisherige Fehlen „eines Zünders“, sodass Instituten und Hochschulen mehr Motivation gegeben wird, diesen zu implementieren. Erfreuliche Ansätze sind die Instandsetzung des Helpdesks am DZHW, die den Prozess der Einführung motiviert und vereinfacht, sowie Landesinitiativen wie in Hessen und CRIS.NRW, die ihren Unis und FHs einen entscheidenden Standortvorteil bieten. Grundsätzlich wird begrüßt, dass nun gemeinsame Definitionen gefunden wurden, um Vergleiche zu ermöglichen. Und – wenn genügend Institutionen künftig Daten in diesem Format liefern – wird er als ein Standard etabliert, dem sich keiner (ohne gewissen Aufwand) entziehen kann. Aus dem Publikum wurde noch der Wunsch nach einer Referenzimplementierung für den Kerndatensatz geäußert. Es wäre doch hilfreich, sich in einer Art Sandbox-System mal ansehen zu können, wie Datenformate definiert sind und der Datenaustausch funktioniert. Wenn die Effekte so positiv sind und die Forschungsinformationssysteme und der Kerndatensatz künftig nicht mehr wegzudenken sind, liegt es auf der Hand zu fragen, warum nicht alle Länder wie in Hessen und Nordrhein-Westfalen die Kräfte bündeln, oder, noch einen Schritt weiter, warum es keine bundesweite Initiative gibt.
  • Trotz großem lokalem Aufwand – Forschungsinformationssysteme sollen „raus aus der Einrichtung“
    Die Probleme bezogen auf Forschungsinformationssysteme sind überall ähnlich. Im Laufe der Diskussion wurde die Bedeutung der Verknüpfung und Kommunikation zwischen Einrichtungen – auch durch die DINI AG FIS – hervorgehoben. Grundsätzlich wäre es hilfreich, wenn noch mehr Austausch stattfindet, um von den Erfahrungen anderer zu lernen. Bei einer kurzen Abfrage mit Handmeldung stellte sich heraus, dass viele Einrichtungen (noch) kein Forschungsinformationssystem im Einsatz haben und dass das Interesse an weiteren ähnlichen Workshops sehr groß ist. Weiterhin gibt es momentan eine dynamische Weiterentwicklung auch hinsichtlich von Open-Source-Projekten. Hier wurde die Möglichkeit eines Entwickler-Austauschs in Aussicht gestellt.

Fazit:  Ein toller, intensiver Workshop mit viel Austausch, neuen Ideen und Kontakten und vielen neuen Arbeitsaufträgen für die DINI AG FIS!

Die Tweets mit dem Hashtag #KDSF17 finden sind in einer Storify zusammengefasst.

Die Vorträge der Veranstaltung werden in Kürze zur Verfügung stehen.

Zitiervorschlag

Beucke, Daniel. „Workshop „Kerndatensatz Forschung‘: Tag 2.” Blog der DINI AGs FIS & EPUB, 2017. https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20170227.


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Über Daniel Beucke

Daniel arbeitet an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen in der Gruppe Elektronisches Publizieren. Er ist Mitglied in der DINI AG FIS und in der DINI AG E-Pub.

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