„Gold open access does not intrinsically mean, however, that the author pays“ schrieb Martin Paul Eve 2014 mit Verweis auf Stevan Harnad, einen der Pioniere der Open-Access-Bewegung und Begründer der klassichen „Open-Access-Farbenlehre“.
Die Praxis sieht allerdings anders aus: Gold Open Access ist zum Quasi-Synonym für ein spezifisches Geschäftsmodell geworden, ein Modell in dem die Autor*innen für die Publikation ihrer Ergebnisse zahlen (APC) und das sich zunehmend dem Vorwurf stellen muss, lediglich Kosten innerhalb eines Systems zu verlagern, das im Kern vergleichbaren Marktmechanismen folgt und die gleichen Abhängigkeiten stärkt wie das Subskriptionsmodell, das man mit Open Access überwinden wollte.
Dass dieses APC-Modell den Gold-Begriff dominiert, hat zu verschiedenen Versuchen der terminologischen Abgrenzung und Aufwertung der nicht-APC-basierten Wege geführt: Diamond Open Access (teilweise auch als Platin Open Access, Free Open Access o.ä. bezeichnet) steht für diejenigen Gold-Open-Access-Publikationen, bei denen keine APCs/BPCs von den Autor*innen verlangt werden. Die Kosten, die im Rahmen der Publikation entstehen, werden stattdessen von Fachgesellschaften, Forschungseinrichtungen oder Universitäten getragen.
Im DOAJ sind aktuell 12.397 Diamond Journals gelistet, Bosman et al. (2021) schätzen die weltweite Anzahl auf 29.000. In ihrer Studie zeigen sie einen Anteil von ca. 44 % nicht-APC-basierter Open-Access-Publikationen (Stand 2019). Die Bedeutung des Weges erschöpft sich aber nicht in diesen Zahlen, sondern liegt insbesondere in seinen Vorteilen: Diamond Open Access ist ein sehr inklusiver Weg, insofern er die aktive und passive Teilhabe an der Wissenschaftskommunikation unabhängig von – individuellen oder institutionellen – finanziellen Ressourcen ermöglicht. Es ist ein diverser Weg, da es sich in der Regel um kleine, oft nationale, mehrsprachige Zeitschriften handelt. Es ist zudem ein selbstermächtigender Weg, weil die Ergebnisse der Forschung nicht aus der Hand gegeben werden, sondern dort verbleiben und verbreitet werden, wo sie entstehen. Und es ist nicht zuletzt ein sehr kosteneffizienter Weg – abhängig von der Anzahl der publizierten Artikel liegen die Kosten laut Bosman et al. (2021) bei durchschnittlich $/€ 208 pro Artikel.
Im Diamond Open Access steckt also quantitativ und qualitativ großes Potenzial; dessen gezielte Nutzung zum Vorteil von Forschenden, Herausgebenden und Forschungseinrichtungen ist erklärtes Ziel des Action Plan for Diamond Open Access.
Die Urheber*innen des Aktionsplans, Vertreter*innen von Science Europe, cOAlition S, OPERAS und der französischen Nationalen Forschungsagentur (ANR) legen dazu ein Set an Maßnahmen vor, die Anbieter*innen von Diamond-Zeitschriften und Plattformen befähigen sollen, gemeinsam eine starke, koordinierte Publikationsinfrastruktur unter Bewahrung der ‚bibliodiversity‚ zu schaffen. Diese Maßnahmen nehmen sowohl die einzelnen Publikationsstrukturen und ihre Systeme, als auch die Koordination und Interaktion dieser Strukturen – in der potentiellen Gesamtinfrastruktur wie auch nach außen – in den Blick.
Dabei werden vier zentrale Bereiche angesprochen: so soll eine Steigerung der Effizienz durch Teilen etwa von Infrastruktur, Standards und Strategien, sowie durch bessere Interoperabilität der Systeme erreicht werden.
Im Bereich der Qualitätssicherung empfehlen die Autor*innen, eine auf etablierten Praktiken aufbauende, gemeinsame Entwicklung und Spezifizierung von Qualitätsstandards als Richtschnur für eine Selbstbewertung der jeweiligen Publikationssysteme.
Kapazitäten sollen geschaffen werden zum einen durch die gezielte Befähigung von Verantwortlichen im Diamond-Publikationssystem, zum anderen durch die Einbindung relevanter institutioneller Stakeholder, sowie der Forschenden selbst. Auch der Aufbau eines gemeinnützigen Capacity Centre for Diamond Publishing wird angeregt.
Im Sinne der Nachhaltigkeit fordern die Autor*innen u.a., Diamond-Strukturen rechtlich klarer zu verankern, die Kosten des Systems transparent zu kommunizieren, Bewusstsein für sie zu schaffen und sie als Teil im Gesamtsystem der finanziellen OA-Förderung zu etablieren. Die Betriebskosten sollten dabei komplett von einem Netzwerk aus verschiedenen Einrichtung getragen werden.
DINI – und über 100 weitere Universitäten, Forschungseinrichtungen, Forschungsförderer und forschungsnahe Organisationen – haben den Aktionsplan unterschrieben und sich damit zu dessen Ziel einer gemeinschaftlichen und wissenschaftsgetriebenen Publikationsinfrastruktur bekannt:
„An vielen der in DINI mitarbeitenden Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird der Betrieb solcher wissenschaftsgeleiteter Publikationsdienste seit vielen Jahren aktiv und erfolgreich umgesetzt. Mit dem DINI-Zertifikat für Open-Access-Publikationsdienste setzt DINI Standards für digitale Infrastrukturen für das wissenschaftliche Publizieren. Das DINI-Zertifikat fördert die Qualität des Open-Access-Publizierens.“
(DINI-Pressemitteilung)
Links
- Action Plan for Diamond Open Access (3.2022)
- Bosman et al.: OA Diamond Journals Study. Part 1: Findings (3.2021)
- DINI-Pressemitteilung (20.6.2022)
- DINI-Zertifikat für Open-Access-Publikationsdienste (2019)
- Eve, Martin Paul: Open Access and the Humanities (2014)
- OA-Netzwerk: Aktionsplan für kostenfreies wissenschaftliches Publizieren (3.3.2022)
Zitiervorschlag
Deppe, Arvid. “Für eine gemeinschaftliche und wissenschaftsgetriebene Publikationsinfrastruktur – DINI unterzeichnet ‚Action Plan for Diamond Open Access’” Blog Der DINI AGs FIS & EPUB, 2022. https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20220627.
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