Die Veröffentlichung von Zugriffsstatistiken war lange ein fester Bestandteil des DINI-Zertifikats. Doch mit der neuen Version für 2025 schlägt die DINI AG E-Pub einen radikalen Kurswechsel vor: Es wird empfohlen, auf die Veröffentlichung solcher Statistiken zu verzichten. Warum dieser Schritt notwendig ist, welche Herausforderungen dahinterstecken und welche Alternativen wir sehen, möchten wir in diesem Beitrag näher erläutern.
Warum Zugriffsstatistiken problematisch sind
Zugriffsstatistiken galten bisher als nützliches Werkzeug, um die Nutzung von Inhalten sichtbar zu machen. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Die Erhebung und Veröffentlichung solcher Zahlen ist im Open-Access-Kontext alles andere als trivial.
Ein zentraler Knackpunkt ist die Filterung automatisierter Zugriffe, insbesondere von Bots. Im Closed Access – also bei klassischen Verlagsangeboten – ist dies technisch machbar: Hier werden IP-Adressbereiche gezielt freigeschaltet oder es kommen klassische Authentifizierungsverfahren zum Einsatz. Diese ermöglichen es, Zugriffe bestimmten Institutionen zuzuordnen und automatisierte Zugriffe anhand von Zugriffsmustern oder bekannten IP-Bereichen zu erkennen. Standards wie der COUNTER Code of Practice sorgen für eine einheitliche Zählweise und definieren, wie Bots erkannt und herausgefiltert werden sollen.
Im Open Access sieht die Realität jedoch anders aus. Inhalte sollen ohne technische, finanzielle oder rechtliche Hürden zugänglich sein – das ist ein Grundprinzip, wie es schon in der Budapest Open Access Initiative von 2002 formuliert wurde
By ‘open access’ to this literature, we mean its free availability on the public internet, permitting any users to read, download, copy, distribute, print, search, or link to the full texts of these articles, crawl them for indexing, pass them as data to software, or use them for any other lawful purpose, without financial, legal, or technical barriers other than those inseparable from gaining access to the internet itself.
Hier ist der barrierefreie Zugriff und explizit auch das Harvesting vorgesehen. Maßnahmen wie Logins oder Captchas, die helfen könnten, Bots auszusperren, widersprechen diesem Gedanken und sind daher keine Option. Das bedeutet aber auch: Eine wirklich zuverlässige Filterung automatisierter Zugriffe ist im Open Access praktisch nicht möglich.
Eine Zugriffsstatistik von Inhalten im Open Access, bei der Bots nicht gefiltert werden, ist sehr anfällig für jegliche Manipulationen. Auch ist unklar, was damit letztlich gemessen wird, da aus einem Zugriff eines Bots sehr viel oder keine Rezeption der Inhalte folgen kann.
Was sich im DINI-Zertifikat 2025 konkret ändert
Bereits im DINI-Zertifikat 2022 wurde ermöglicht, Webserver-Logs automatisiert zu löschen, anstatt sie anonymisiert zu speichern – ein erster Schritt, um den Druck zur Erhebung von Statistiken zu reduzieren.
Im DINI-Zertifikat 2025 wird ein kompletter Umschwung vorgenommen:
- Keine Metadaten-Empfehlung mehr: Die bisherige Empfehlung (E.7-1), für jedes Dokument eine Zugriffsstatistik als dynamisches Metadatum bereitzustellen, wird aufgehoben.
- Webserver-Logs nur intern: Die Pflicht, Webserver-Logs zu führen (M.7-1), bleibt für den technischen Betrieb bestehen – allerdings ausschließlich intern und ohne Filterung automatisierter Zugriffe.
- Transparenz bei Veröffentlichung: Sollte ein Repositorium dennoch Statistiken veröffentlichen, muss künftig klar auf die fehlende Bot-Filterung und die eingeschränkte Aussagekraft hingewiesen werden (M.7-2).
- COUNTER und OpenAIRE gestrichen: Die Empfehlungen zu diesen Standards (E.7-2 und E.7-3) entfällt ersatzlos, da sie eine konsistente Bot-Filterung voraussetzen, die im Open Access nicht gewährleistet werden kann.
Alternativen und Ausblick
In der AG E-Pub wird ein großer Bedarf an neuen Ansätzen, um die Nutzung und Wirkung von Open-Access-Publikationen zu messen, gesehen. Für das DINI-Zertifikat 2025 können allerdings noch keine fertigen Alternativen angeboten werden. Es gibt verschiedene Optionen, wie zum Beispiel Open Citations oder Statistiken zur Anzahl der originären Veröffentlichungen und Zweitveröffentlichungen in Publikationsdiensten. Allerdings ist noch zu prüfen, welche dieser Metriken sich zuverlässig erheben lassen und wirklich aussagekräftige Informationen über die Nutzung und Bedeutung von Publikationsdiensten liefern.
Mit dem DINI-Zertifikat 2025 soll es einen Anstoß geben, die Rolle von Zugriffsstatistiken im Open Access grundsätzlich zu überdenken. Die bisherige Praxis ist im offenen Umfeld weder technisch noch inhaltlich sinnvoll umsetzbar. Deshalb lädt die DINI AG E-Pub die Community ausdrücklich dazu ein, Alternativen zu entwickeln und neue, offene Metriken vorzuschlagen, die besser zu den Prinzipien von Open Access passen.
Wir freuen uns auf Feedback und Vorschläge aus der Community – und hoffen, gemeinsam neue Wege für offene Metriken zu finden!
Links
- Blogbeitrag zum Request for Comment
- Direkt zum Request for Comment
- Rückmeldung zum Request for Comment an: zertifikat-rfc@dini.de
Literaturempfehlungen
Becker, P.-N., & Paulsen, Y. (2025). Probleme der Erhebung von Nutzungsstatistiken im Open Access. O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal Herausgeber VDB, 12(1), 1-10. https://doi.org/10.5282/o-bib/6109
Sherrick, A. K., & Pino Navarro, D. A. (2024). Creating a better balance: the need for tools and practices to combat AI harvests and resource flooding in repository environments. Open Repositories 2024 (OR2024), Gothenburg, Sweden. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.12579304
Autoren
Pascal Becker und Arvid Deppe sind beide Mitglieder der DINI AG E-Pub.
Zitiervorschlag
Becker, Pascal-Nicolas und Arvid Deppe. “DINI-Zertifikat 2025: Warum wir Zugriffsstatistiken im Open Access anders denken müssen” Deutsche Initiative für Netzwerkinformation, 2025. https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20250602
Dieser Beitrag – ausgenommen Zitate und anderweitig gekennzeichnete Teile – ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0).
