Der European Diamond Capacity Hub: Die Facetten des Diamanten beginnen zu funkeln

Diamond Open Access auf dem Weg in die Verstetigung: Am 15. Januar 2025 ist in Madrid der European Diamond Capacity Hub offiziell ins Leben gerufen worden. Alle Akteure rund um das Diamond Open Access Publizieren – institutionelle Publikationsservice, -infrastruktur und -technikanbieter – erhalten darüber für ihre Arbeit praktische und fundierte Unterstützung in mehreren Sprachen. In diesem Blogbeitrag werden diese Angebote vorgestellt. Der European Diamond Capacity Hub wird als europäischer Referenzpunkt auch die in deutschen Publikationsinfrastrukturen Tätigen dabei unterstützen, die Qualität und Sichtbarkeit ihrer Dienste und deren Inhalte zu steigern, und eine Dachorganisation für nationale Kontaktpunkte des Diamond Open Access bilden.

Die Landschaft des Diamond Open Access (Diamond OA) – dem Publikationsmodell ohne Kosten für die Publizierenden – ist auf europäischer und nationaler Ebene stark fragmentiert. In den letzten Jahren haben zahlreiche Institutionen im Diamond OA-Modell Journals, Publikationsinfrastrukturen und Services aufgebaut.

Damit schaffen wissenschaftliche Institutionen eine Ergänzung zum gewinnorientierten Open Access (OA) der Großverlage, welche mit Article Processing Charges (APC) operieren, und bieten Publikationsinfrastrukturen, die an fachlichen und nationalen Bedarfen ausgerichtet sind. Noch verfügen diese Dienste über sehr unterschiedliche Grade von Professionalisierung, Skalierbarkeit, fachliche Übertragbarkeit und Akzeptanz in der Wissenschaft.

Um die Stärken von lokalen oder disziplinären Ansätzen mit den möglichen Synergieeffekten von zentralen Angeboten, übergreifenden Standards und etablierten Abläufen des Publizierens zusammenzuführen, liegen zentrale Anlaufstellen nahe. Über diese lassen sich gemeinsame Werkzeuge, Standards und Dienste für Diamond OA realisieren und nachhaltig für die Anwendungsgemeinschaften sichern. Auf europäischer Ebene ist der European Diamond Capacity Hub (EDCH) angetreten, die Rolle eines solchen zentralen Referenzpunktes einzunehmen.

Launch des European Diamond Capacity Hub in Madrid

Der EDCH wurde am 15. Januar 2025 in Madrid in Verbindung mit dem Projektstart von ALMASI (Aligning and Mutualizing Nonprofit Open Access Publishing Services Internationally) eingeführt. Vor Ort wurden der EDCH und ALMASI von der UNESCO, der Europäischen Kommission, Science Europe und anderen Einrichtungen unterstützt. Zahlreiche Partner:innen und Interessierte haben den Launch vor Ort und im Livestream begleitet und diesen wichtigen Schritt in Richtung einer gemeinsamen Zukunft des Diamond OA gefeiert. Die bekannten Diamond OA-Aktivisten Johan Rooryck (ESF) und Pierre Mounier (OpenEdition) stellten die zukünftigen Dienstleistungen und Arbeitsgruppen des EDCH vor und kontextualisierten die hohe gesellschaftliche Bedeutung eines von der Wissenschaft geleiteten Publikationswesen. Neben Kurzvorträgen zu globalen, regionalen und nationalen Perspektiven auf das Thema hatten Teilnehmende außerdem nachmittags Gelegenheit zum Austausch, etwa zu aktuellen Herausforderungen im Diamond OA oder praktischen Entwicklungen wie der Registry für Diamond OA-Journals, dem Diamond Discovery Hub (DDH), der zurzeit im Projekt CRAFT-OA (Creating a Robust Accessible Federated Technology for Open Access) entwickelt wird.

Abbildung 1: Präsentation anlässlich des EDCH-Launch in Madrid, Foto von L. Müller

Funktion und Ziel des EDCH 

Der EDCH ist eine Gemeinschaftsinitiative unter der Federführung von OPERAS und der coalitionS. Ziel  ist es, europäische Diamond OA-Strukturen zusammenzuführen und den EDCH als Dach für (künftige) nationale und disziplinäre Diamond Capacity Centres (DCC) in Europa zu etablieren.

Die Aufgaben des EDCH werden vor allem die Koordinierung und Zusammenführung von Ressourcen sein, also die langfristige Bereitstellung von Tools für die Community, die in Projekten wie DIAMAS (Developing Institutional Open Access Publishing Models to Advance Scholarly Communication) und CRAFT-OA entwickelt wurden. Dazu gehören Richtlinien wie der Diamond Open Access Standard (DOAS), mehr dazu weiter unten. Um den Professionalisierungsgrad des Diamond OA-Publizierens zu erhöhen, vermittelt der EDCH entsprechende Trainings- und Kommunikationsformate. Konkret wird ein European Common Access Point (ECAP) als Knotenpunkt für gemeinsame Ressourcen wie die Projektergebnisse aufgebaut, verwaltet durch die EDCH-Beteiligten. Die Governance und die Rules of Procedure zur gemeinsamen Arbeit wurden bei dem Launch im Januar bereits skizziert. Das Governance-Modell wird Effizienz, Komplementarität und Subsidiarität zwischen den bestehenden europäischen DCCs gewährleisten und gleichzeitig die Gründung neuer nationaler DCCs in Europa erleichtern. Solche DCCs bestehen bereits in einigen europäischen Staaten und fungieren beispielsweise auf nationaler Ebene, wie OpenEdition in Frankreich, FECYT in Spanien, TSV in Finnland  und HRČAK in Kroatien. In Deutschland wird in den kommenden drei Jahren das DFG-geförderte SeDOA Projekt (Servicestelle Diamond Open Access) das nationale DCC aufbauen. Auch disziplinäre Capacity Centers oder gar institutionelle DCCs sind möglich und begrüßenswert.

Abbildung 2: Präsentation der Taskforce “Tools and Services” im Rahmen des EDCH-Launch in Madrid, Foto von L. Müller

Die Farben des Diamanten – Services des EDCH

Der EDCH vernetzt und unterstützt die entstehenden oder bereits aktiven Servicestellen zum Diamond OA-Publizieren in Europa. Jede der farbigen Seiten des EDCH-Diamanten steht für ein konkretes Serviceangebot, von welchen nachfolgend drei vorgestellt werden:

Abbildung 3: Services des EDCH. Präsentation von Johan Rooryck und Pierre Mounier im Rahmen des EDCH-Launch

Diamond Open Access Standard 

Der DOAS ist eines der zentralen Ergebnisse des DIAMAS-Projektes. Der DOAS wurde unter Berücksichtigung von 58 maßgeblichen Richtlinien und Empfehlungen aus dem europäischen Forschungsraum entwickelt und durch das Feedback aus der OA-Publikationscommunity ergänzt und überarbeitet. Der Best-Practice-Standard ermöglicht eine flexible Anwendung und schrittweise Weiterentwicklung entsprechend den Ressourcen der eigenen Einrichtung. Der DOAS wird in mehreren europäischen Sprachen zur Verfügung gestellt, demnächst auch in deutscher Fassung.

Ergänzend steht ein Self-Assessment Tool zur Verfügung, mit dem institutionelle Publikationsservices überprüfen können, wie weit sie mit den Richtlinien und Empfehlungen des DOAS übereinstimmen. 

Diamond Discovery Hub 

Der DDH wird als Nachweissystem für den Diamond OA-Status von wissenschaftlichen Journals aufgebaut. Die DDH-Listung beruht auf sechs Kriterien von Diamond OA, die in den Projekten DIAMAS und CRAFT-OA entwickelt und in mehreren Community-Konsultationen evaluiert wurden. Der initiale Datenbestand im DDH besteht aus APC-freien Journals im Directory of Open Access Journals (DOAJ) sowie Journals von Projektpartnern, welchen eine Gruppe von nationalen Diamond OA-Expert:innen auf Basis der genannten Kriterien validiert haben. Journals, die im DDH gelistet sind, können so ihren Diamond OA-Status hervorheben und ihre Sichtbarkeit, Auffindbarkeit und Akzeptanz erhöhen. Damit wird der DDH zu einem relevanten Nachweissystem für alle, die verlässliche Informationen zum Diamond OA-Status einzelner Journals sowie einen Überblick suchen. Das können Förderer, Forschungsorganisationen, wissenschaftliche Bibliotheken, Publikationsdienste und Verlage sein, sowie alle, die an einem am Gemeinwohl orientierten Publikationswesen der Wissenschaft interessiert sind.

EDCH Registry und Forum

Mit einer Registry für Dienste bietet der EDCH erhöhte Sichtbarkeit und Vernetzung der verschiedenen Akteure des Diamond OA-Publizierens: Anbieter für (institutionelle) Publikationstechnologien und -werkzeuge (Institutional Publishing Tools and Technology Providers, IPTPs) sowie (institutionelle) Publikationsserviceanbieter (Institutional Publishing Service Providers, IPSPs) können sich dort registrieren und ihre Angebote der Community vorstellen. Dies erleichtert beispielsweise die Identifikation geeigneter Kooperationspartner. Das zugehörige Community-Forum dient dem fachlichen Austausch und der Diskussion von Themen, Tools und Technologien.

Partizipieren am EDCH

Wie können sich Publikationsdienste und Serviceanbieter, die Qualität und Nachhaltigkeit ihrer Angebote verbessern und sich öffentlich zum Diamond OA-Modell bekennen wollen, am EDCH beteiligen? Diese können sich bei der EDCH Registry anmelden und Zugang zum Forum erhalten. Danach kann die Selbsteinschätzung mit dem Self-Assessment-Tool nach dem DOAS folgen, um Stärken und Schwächen zu identifizieren. Basierend auf diesen Erkenntnissen können Organisationen ihre Kompetenzen durch Schulungen, Tools und Plugins gezielt verbessern. Wer Diamond OA-Journals bereitstellt, welche den genannten Kriterien entsprechen, kann diese im nächsten Schritt im DDH listen lassen, um deren Sichtbarkeit und Akzeptanz zu erhöhen. Publikationsdienste und Verlage können ihr Profil und Gesamtangebot kumuliert im Publisher Dashboard darstellen.

Abbildung 4: Verfahrensablauf zur Beteiligung am EDCH. Präsentation von Johan Rooryck und Pierre Mounier im Rahmen des EDCH-Launch

Mit diesen Maßnahmen erfahren Dienste im Diamond OA eine erhöhte Professionalisierung, tragen zu verbesserter Sichtbarkeit und Akzeptanz bei und mehren damit ihre Chancen auf angemessene Ressourcenausstattung oder Fördermittel. Geplant ist, dass die Services des EDCH, jetzt teilweise noch in der Entwicklung oder in der Beta-Version verfügbar, bis zum dritten Quartal 2025 zur vollständigen Nutzung fertiggestellt sind.

Über die Task Forces des EDCH wird außerdem eine aktive Mitgestaltung der EDCH-Dienste möglich sein. Ihre Themen sind:

  • Aufbau einer Community of Practice
  • Qualitätssicherung insbesondere durch das Bekanntmachen des DOAS
  • Förderung von „Skills and Competencies“ durch Schulungsangebote und Lernmaterialien
  • Pflege/Verfügbarkeit von Tools und Technologien, um Interoperabilität und Compliance sicherzustellen
  • „Diamantisierung“ mittels Unterstützung bei dem Wechsel zu Diamond OA-Modellen 
  • Sicherung einer längerfristigen Finanzierung des EDCH.

Die dauerhafte Ausstattung des EDCH mit Ressourcen wird durch das EDCH Collective erfolgen, einem im Aufbau befindlichen Mitgliedschaftsmodell.

Fazit und Ausblick

Diamond OA ist vor allem im globalen Süden seit Jahrzehnten der wichtigste Baustein der OA-Transformation. Im globalen Norden und damit auch in Deutschland schien Diamond OA im Schatten des kommerziellen OA zu existieren und aus lokalen Initiativen zur Unterstützung und zum Betrieb eines wertegeleiteten Publikationswesens zu bestehen. Besonders die Förderimpulse der letzten Jahre verdeutlichen jedoch, dass sich Diamond OA auf dem Weg zu einem globalen Zusammenschluss findet und sich als wichtiges Komplementär zum gewinnorientierten OA der Großverlage positioniert. Dafür sprechen die Unterstützung von Akteuren wie der UNESCO, der Europäischen Kommission und großen nationalen Forschungsförderorganisationen, unter anderem des französischen National Research Agency (ANR), des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Parallel zu den Entwicklungen in Europa besteht ein lebhafter Austausch mit Kolleg:innen aus anderen Teilen der Welt. Denn insbesondere in Lateinamerika und in Afrika bestehen seit langem etablierte Infrastrukturen des Diamond OA, etwa AJOL, AmeliCA, Redalyc oder Scielo. Die  Zusammenarbeit mit diesen wird im Rahmen des ALMASI-Projekts verstärkt. Sowohl in Afrika als auch in Lateinamerika wird in den kommenden Jahren die Gründung von regionalen Digital Capacity Hubs (DCHs) angestrebt.

Am EDCH beteiligte und beitragende Projekte

DIAMAS 

Developing Institutional Open Access Publishing Models to Advance Scholarly Communication (2022-2025), https://diamasproject.eu/
DIAMAS strebt ein harmonisiertes, qualitativ hochwertiges und nachhaltiges institutionelles Umfeld für OA-Publikationen aus dem Europäischen Forschungsraum an, das durch einen neuen Standard für Diamond OA-Publikation, von allen Beteiligten mitgetragen und mitgestaltet, etabliert wird.

CRAFT-OA

Creating a Robust Accessible Federated Technology for Open Access (2022-2025), https://www.craft-oa.eu/
CRAFT-OA konzentriert sich darauf, die technischen Angebote und die organisatorische Infrastruktur für Diamond OA-Publizieren auszubauen.

ALMASI

Aligning and Mutualizing Nonprofit Open Access Publishing Services Internationally (2025-2027), https://doi.org/10.3030/101188192
Das ALMASI Projekt ist eine Erweiterung und Fortführung der Arbeit, die in den Projekten CRAFT-OA und DIAMAS geleistet wurde und wird. Der europäische Fokus dieser beiden Projekte wird in ALMASI mit Partnern aus Lateinamerika und Afrika erweitert. Dies bietet die Chance, voneinander zu lernen, Good-Practice-Vorgehen zu analysieren, gemeinsame Standards zu finden und durch die weltweite Vernetzung die europäische Entwicklung zu fördern. 

Autor:innen

Katharina Müller (https://orcid.org/0000-0003-4212-8208), 

Lisa Müller (https://orcid.org/0009-0008-3029-1888), 

Tabea Klaus (https://orcid.org/0000-0002-2791-1053),

Theresa Waldmann (https://orcid.org/0009-0002-2994-6660),

Hanna Varachkina (https://orcid.org/0000-0002-5832-3983),

Malte Dreyer (https://orcid.org/0000-0001-5971-3572),

Margo Bargheer (https://orcid.org/0000-0001-8246-8210).

Alle Autor:innen des Blogbeitrags sind an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen) tätig und arbeiten, u.a. im Rahmen verschiedener EU-Projekte, in der Gruppe “Elektronisches Publizieren”.

Zitiervorschlag

Müller, Katharina, et al.: “Der European Diamond Capacity Hub: Die Facetten des Diamanten beginnen zu funkeln.” Deutsche Initiative Für Netzwerkinformation, 2025. https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20250217.


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