Vom 6. bis 8. Oktober 2025 versammelte sich in Göttingen die europäische und internationale Open-Access-Community unter dem Motto „Crafting the Future of Diamond Open Access: Technical, Social & Political Perspectives of Scholarly Publishing“. Gastgeberin war die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB), die sich einmal mehr als lebendiger Treffpunkt für Diskussionen rund um offene Wissenschaft und nachhaltige Publikationsinfrastrukturen erwies.

Crafted OA: von der Community für die Community
Anlass der Konferenz war der Abschluss des EU-finanzierten Projektes CRAFT-OA, das in den letzten Jahren daran gearbeitet hat, die technische und organisatorische Basis für Diamond Open Access (Diamond OA) zu stärken. CRAFT-OA hat in diesem Zusammenhang Standards, Werkzeuge und Trainingsangebote entwickelt, um Diamond-Journals sichtbarer, interoperabler und nachhaltiger zu machen.

In der Programmgestaltung wurde darauf geachtet, dass sich Präsentationen über die Projektergebnisse mit Beiträgen aus der Community zu verschiedenen Facetten von Diamond OA abwechselten. So entstand ein produktiver Dialog zwischen dem Projekt und der Community – ein Austausch, der einerseits zur Verbreitung der Projektergebnisse beitrug, andererseits aber auch den Projektmitgliedern ermöglichte, von den Erfahrungen und Perspektiven der Community zu lernen. Damit leistete die Konferenz einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Nachnutzung der im Projekt entwickelten Ergebnisse.
Ein weiterer zentraler Aspekt war die Einbindung von CRAFT-OA in die bestehenden und entstehenden Infrastrukturen für Diamond OA in den einzelnen europäischen Ländern. Wenn Diamond OA „von der Community für die Community“ gestaltet werden soll – also wissenschaftliche Kommunikation von der Wissenschaft betrieben, gepflegt und weiterentwickelt wird – dann kann dies angesichts der Vielfalt wissenschaftlicher Kulturen und der unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen nicht durch zentrale Vorgaben auf europäischer Ebene gelingen.
In einem wegweisenden Thesenpapier plädierten daher Johan Rooryck und Pierre Mounier (beide OPERAS) für die Einrichtung nationaler Knotenpunkte. Diese sollen Standards, Tools und Politiken des wissenschaftlichen Publizierens an die jeweiligen nationalen Gegebenheiten anpassen – und zugleich Teil eines gesamteuropäischen Netzwerks bleiben – erläuterte Johan Rooryck in seiner Keynote zu Beginn der Konferenz. Neben ihm waren weitere Vertreter:innen der Netzwerkkoordination, des European Diamond Capacity Hub (EDCH), auf der Tagung präsent.

Inzwischen sind viele dieser nationalen Hubs entstanden oder befinden sich in der Gründungsphase. Ihre Vertreter:innen waren auf der Konferenz mit eigenen Beiträgen präsent und nutzten die Gelegenheit für einen Austausch und intensive Vernetzungsaktivitäten auf informeller und formeller Ebene.

So war die CRAFT-OA-Konferenz nicht nur ein Forum für den Austausch über technische Tools, Workflows und Praktiken, sondern zugleich eine wertvolle Gelegenheit, das europäische Netzwerk für Diamond OA strategisch und politisch weiter zu gestalten und zu stärken.
Themen und Formate
Die Themen des Calls und der Konferenz umspannten die politischen Konzepte rund um Diamond OA, Community Building und technische Rahmenbedingungen. Letztere bildeten den inhaltlichen Schwerpunkt der Beiträge – wenig überraschend, da das veranstaltende CRAFT-OA Konsortium in erster Linie ein technisches Projekt ist. Präsentiert wurde in zwei Formaten: zum einen in klassischen Vorträgen (20 Minuten plus Diskussion), zum anderen in sogenannten Lightning Talks – kurzen, pointierten Impulsen, die meist mit einem Poster verknüpft waren. Dieses Format wurde von den Teilnehmenden als besonders kurzweilig, informativ und effektiv wahrgenommen.

Schwerpunkte und Tendenzen: Technik, Finanzierung sowie Globale und Lokale Perspektiven
Schon beim Blick ins Programm wurde deutlich: Die Vielfalt der Themen spiegelte die Breite der Diamond-OA-Landschaft – von technischen Lösungen über Community-Building bis hin zu politischen Strategien.
Zahlreiche Poster und Lightning Talks zeigten, wie sich die technische Seite des Publizierens entwickelt. Beiträge wie „AI-Powered Copy-Editor for Diamond OA Workflows“ oder „Ensuring Metadata Integrity using XML“ machten deutlich, dass standardisierte Ausgabeverfahren und Künstliche Intelligenz in Redaktions- und Produktionsprozesse Einzug erhalten und Potentiale für die Beschleunigung der Entwicklung von Diamond OA freisetzen. Gleichzeitig blieb der Blick auf Qualität und Offenheit zentral: Themen wie offene Metadaten, nicht-kommerzielle Identifikatoren („Beyond the DOI“) oder das DINI-Zertifikat unterstrichen den Anspruch, technologische Innovation interoperabel, nachhaltig und transparent zu gestalten.
Zugleich machten die Beiträge deutlich, dass Diamond OA die althergebrachten Geschäftsmodelle und Formen der Publikationsfinanzierung neu justiert. Beiträge wie „Opening the Future – or why publishers can do Diamond OA too“ machten die Vielfalt alternativer Lösungen deutlich. In den Lightning Talks wurden mit Initiativen wie DeFDOA (Vorschlag für ein über Abgabenfinanziertes Diamond-Publikationssystem), das Open Library Economics (OLEcon) Consortium oder KOALA (ein Konsortiumsmodell zur Finanzierung von OA-Zeitschriften) innovative Ansätze zur gemeinschaftlichen Finanzierung vorgestellt – ökonomische Stabilität durch Kooperation. Deutlich wurde dabei: Es gibt keine standardisierten Lösungen, dafür aber viele an die jeweiligen Publikationsökonomien und Wissenschaftskulturen angepasste Initiativen und Ideen, die auf Kooperation und Solidarität basieren. „Diamond OA ist kein Markt, sondern ein Gemeingut“, fasste ein Panelist treffend zusammen.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den Publikationsplattformen und Workflows, die Diamond OA konkret möglich machen. So wurde unter anderem der EDCH vorgestellt, ein OPERAS Programm zur Stärkung der Diamond Community auf nationaler und europäischer Ebene. Auch das zugehörige Forum und eine Registry für Diamond Journals hatten einen prominenten Platz im Tagungsprogramm, verbunden mit der Einladung an die Konferenzteilnehmenden, diese Angebote zu nutzen.
Zusätzlich wurden Erfolgsgeschichten aus ganz Europa präsentiert: von der Masaryk University mit ihren MUNI Journals, über dEjournals der Universität Debrecen bis hin zur Diamond University Press der Milano University Press: Community Engagement bedeutet, von den Erfolgen und Missgeschicken, den Experimenten und etablierten Traditionen in der Community zu lernen. Vorträge über große strategische Linien und Großkonzepte waren daher gegenüber den exemplarischen Beiträgen über einzelne Erfolgsgeschichten in der Minderzahl.
Diamond OA in Europa und darüber hinaus – Politik und Perspektiven
Das bedeutete aber nicht, dass die politische Dimension gänzlich fehlte. In Sessions wie „Standing up for Diamond: influencing national OA policy in Canada“ wurde deutlich, dass Diamond Teil internationaler und europäischer Open-Science-Strategien ist. Vertreter:innen aus den Niederlanden, Italien (Analysing the Italian Diamond Open Access landscape with Open Access resources), der Schweiz (diamondopenaccess.ch) und Indien berichteten von nationalen Entwicklungen auf dem DIAMOND Sektor und ihren Unterstützungsstrategien in Forschungsbewertung- und Kommunikation. Viele Länder arbeiten aktiv daran, Governance-Strukturen für Diamond OA zu etablieren.
Highlight: Keynote von Dr. David Oliva Uribe (UNESCO Senior Consultant)
Einer der inhaltlichen Höhepunkte der Konferenz war die Keynote von Dr. David Oliva Uribe, Senior Consultant bei der UNESCO, der zentrale Ergebnisse der UNESCO Global Consultation on Diamond Open Access (2024–2025) vorstellte. Diese weltweite Konsultation, an der über 2900 Teilnehmende aus 92 Ländern beteiligt waren, hatte das Ziel, die aktuellen Herausforderungen, Bedarfe und Zukunftsperspektiven der Diamond-OA-Community zu erfassen – und zwar in enger Anlehnung an die UNESCO-Empfehlung zu Open Science (2021).

Die Befragung, die in vier Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch) durchgeführt wurde, bot ein globales, qualitativ reiches Stimmungsbild zu Diamond Open Access. Sie machte deutlich, dass Diamond OA international präsent ist, zugleich aber Unterschiede in Sichtbarkeit, Finanzierung und institutioneller Unterstützung bestehen. Viele Teilnehmende beschrieben Diamond OA als eine wertebasierte Praxis: Sie ermögliche Offenheit, Kosteneinsparungen und mehr Sichtbarkeit für Forschung – vor allem aber fördere sie Gerechtigkeit, Teilhabe und Wissensvielfalt.
Gleichzeitig zeigte sich, dass fehlende finanzielle und zeitliche Ressourcen, unzureichende Kenntnisse über die Plattformen und Vorteile von Diamond OA sowie mangelnde institutionelle Unterstützung zentrale Hindernisse darstellen. Ein wichtiger Befund betrifft die Governance-Frage: Die Mehrheit der Befragten bevorzugt regionale Koordination statt zentraler globaler Steuerung. Dr. Uribe betonte, dass die Zukunft von Diamond OA in freiwilligen, dezentralen Allianzen liege, die gemeinsame Prinzipien teilen, aber auf regionale Besonderheiten reagieren können. Ein Bericht mit den Survey-Ergebnissen soll in Kürze erscheinen und wird sicherlich eine interessante Lektüre bieten.
Highlight: Der Launch des Diamond Discovery Hub (DDH)
Ein weiterer Höhepunkt der Konferenz war der hard Launch des bereits in einer Beta Version seit Mitte des Jahres verfügbaren Diamond Discovery Hub (DDH) – ein neues europäisches Verzeichnis für wissenschaftsgetragene Open-Access-Zeitschriften ohne Autor:innengebühren. Der DDH versteht sich als zentrale, vertrauenswürdige Anlaufstelle für die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von Diamond-OA-Publikationen in Europa. Der Hub verfolgt das Ziel, die bislang oft verstreuten Informationen über Diamond-Journals und institutionelle Publikationsdienste zusammenzuführen und transparente, überprüfbare Metadaten bereitzustellen. Damit soll die Plattform nicht nur den wissenschaftlichen Austausch erleichtern, sondern auch die Anerkennung und Glaubwürdigkeit von Diamond-OA-Zeitschriften erhöhen.

In ihrem Vortrag stellte Hanna Varachkina (SUB Göttingen) die Funktionsweise und Zielgruppen des DDH vor: Der Hub richtet sich gleichermaßen an Journals und institutionelle Publikationsdienste, an Autor:innen, Leser:innen, Förderorganisationen sowie an Aggregatoren und Forschungsinstitutionen. Er dient als offenes, wachsendes Register, das sich dynamisch weiterentwickelt – ein „lebender Katalog“ der europäischen Diamond-OA-Landschaft. Ein zentrales Merkmal des DDH ist sein Vertrauensmodell: Die aufgenommenen Journals und Institutionen stammen aus „trusted sources“ – geprüften Organisationen, die über ein EDCH-Register validiert werden. So entsteht ein Qualitätsrahmen, der Transparenz mit Offenheit verbindet. Neue Einträge erfolgen auf Basis von Selbstauskünften, die durch sechs klare Kriterien zur Verifizierung ergänzt werden. FAQ- und Support-Angebote erleichtern dabei die Teilnahme und Dateneinreichung.

Highlight: Paneldiskussion „Diamond Dreams & Data Streams – Shaping Sustainable Open Access“

Unter dem Titel „Diamond Dreams & Data Streams: Shaping Sustainable Open Access“ und moderiert von Margo Bargheer und Malte Dreyer (SUB Göttingen) wurden in einer Expert:innendiskussion internationale Perspektiven auf die Zukunft von Diamond Open Access entwickelt – mit David Oliva Uribe (UNESCO), Youngim Jung (KISTI, Korea), Marc Bria (Universitat Autònoma de Barcelona, Spanien) und Urooj Nizami (Public Knowledge Project, Kanada).
Schon in der Einführung machten die Moderator:innen deutlich, dass Diamond Open Access so facettenreich ist wie die Wissenschaftskommunikation selbst – ein Zusammenspiel sozialer, technischer und politischer Dimensionen, das wesentlich vom Engagement der Community getragen werde. Dementsprechend wurden vier Themenblöcke identifiziert und diskutiert: Community und Partizipation, Technologie und Infrastrukturen, Gerechtigkeit in Globaler Perspektive sowie Geschäftsmodelle und Nachhaltigkeit.
Der Einstieg drehte sich um die Frage nach der Community: Wer trägt Diamond Open Access eigentlich? David Oliva Uribe verwies auf das wertethische Fundament der Bewegung: die gemeinsam geteilten Überzeugungen, die Ausdruck in der starken internationalen Zustimmung zur UNESCO Recommendation for Open Science finden. Youngim Jung betonte ergänzend, dass Wissenschaftler:innen frühzeitig für offene Publikationspraktiken sensibilisiert werden sollten – etwa durch Lehr- und Informationsangebote. Zum Abschluss blickte das Panel in die Zukunft: Diamond OA stehe heute an einem Punkt, an dem eine neoliberale Aneignung zwar noch nicht stattgefunden habe, doch sei, so Marc Bria, diese mit Sicherheit zu erwarten. Keine heitere Aussicht, aber gleichermaßen eine Warnung davor, sich vom eigenen Idealismus blenden zu lassen.
Ausblick: Von Projekten zu Praktiken
Die drei Tage in Göttingen machten eindrucksvoll deutlich, wie weit die Diamond-OA-Bewegung in kurzer Zeit gekommen ist – und dass sie auf einer ausbaufähigen Basis aus Technologie, Kooperation und gemeinschaftlicher Verantwortung steht.
Doch auch jenseits der Panel blieb auf der Konferenz spürbar, dass Diamond OA vor allem von Engagement und Gemeinschaft lebt, von Entwickler:innen der Open-Source-Tools, Herausgeber:innen kleiner Journals, aber auch Vertreter:innen großer Einrichtungen und nicht zuletzt von den Koordinator:innen, die Wissenschaft und Technik auf Konferenzen und in Projekten wie diesen zusammenbringen.
So gab es auch viel Lob für die Organisation der Konferenz, die trotz des hohen Professionalisierungsgrades mit Liebe im Detail und persönlicher Note gestaltet war. Handcrafted Open Access eben.

Anmerkungen
Alle Präsentationen der Konferenz sind in der Zenodo-Community zu finden https://zenodo.org/communities/craft-oa_conference/records.
Aufzeichnungen der Vorträge sind auf Youtube verfügbar
(Mitschnitt vom 6.Oktober 2025)
(Mitschnitt vom 7.Oktober 2025)
(Mitschnitt vom 8.Oktober 2025)
In einer losen Serie an DINI-Blogbeiträgen wurden bereits einige Projektergebnisse von CRAFT-OA und Komponenten der sich entwickelnden europäischen Infrastruktur vorgestellt: zum Launch des EDCH https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20250217 sowie zur EDCH-Registry und zum Forum https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20250901. Weitere Beiträge, u. a. zum Diamond Open Access Standard sind in Vorbereitung.
Announcement: Der erste Abschnitt “Crafting the Future of Diamond Open Access – Eindrücke von der CRAFT-OA Final Conference in Göttingen” sowie der Abschnitt “Highlight: Der Launch des Diamond Discovery Hub (DDH)” wurden unter Zuhilfenahme von GTP5 entworfen.
Autor:innen
Malte Dreyer, SUB Göttingen (https://orcid.org/0000-0001-5971-3572),
Katharina Müller, SUB Göttingen (https://orcid.org/0000-0003-4212-8208)
Förderhinweis
Die Projekte CRAFT-OA wird von der Europäischen Union finanziert, das Projekt CRAFT-OA unter der Fördernummer 101094397. Die geäußerten Ansichten und Meinungen entsprechen jedoch ausschließlich denen der Autor:innen und spiegeln nicht zwingend die Ansichten der Europäischen Union oder der Europäischen Kommission wider. Weder die Europäische Union noch die Fördereinrichtung können dafür verantwortlich gemacht werden.
Zitiervorschlag
Dreyer, Malte and Katharina Müller: “Crafting the Future of Diamond Open Access – Eindrücke von der CRAFT-OA Final Conference in Göttingen” Deutsche Initiative für Netzwerkinformation, 2025. https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20251110.
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