Nachfolge gesucht! Warum das Thema ‚Mirror Journals‘ herausfordernd bleibt und Unterstützung aus der Community gefragt ist

Die sogenannten Mirror Journals beschäftigen die bibliothekarische Community bereits seit einigen Jahren. Das Publizieren in diesen Zeitschriften widerspricht nach überwiegendem Konsens den etablierten Förderkriterien vieler wissenschaftlicher Einrichtungen, indem der Grundsatz „keine Förderung von hybriden Zeitschriften“ unterwandert wird. Im Zusammenhang mit dem DFG-Förderprogramm „Open-Access-Publikationskosten“, in dem Mirror Journals als nicht förderfähig benannt werden, hat die Problematik einen neuen Fokus bekommen.

Zur Bündelung von Ressourcen, und um im Arbeitsalltag bei der Verwaltung von Publikationsfonds ein Werkzeug zu Hand zu haben, hat sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeiter*innen der TU Berlin, der TU Braunschweig, der Charité sowie aus dem Forschungszentrum Jülich zusammengefunden.

Die Problematik und eine Herangehensweise für den Umgang mit Mirror Journals wurden bereits in diesem Blogbeitrag beschrieben. Im folgenden Beitrag geben wir ein Update über die Diskussionen in unserer Gruppe. Wir erläutern, warum wir in dieser Zusammensetzung das Thema nicht weiterverfolgen und welche Unterstützung wir jenen in der Community anbieten können, würden sie die Arbeit an unserer Stelle fortsetzen wollen.

Was bisher geschah

Um der Herausforderung zu begegnen, fand im September 2021 zunächst ein informeller Austausch im kleinen Kreis statt. Dabei wurde der Bedarf nach einer standardisierten Prüfliste festgestellt. Dies führte zur Absprache einer engen Zusammenarbeit.

Ab November 2021 begannen intensive Diskussionen über technische und organisatorische Vorgehensweisen. Gemeinsam entwickelten wir iterativ Prüfkriterien und operationalisierten diese in einer Excel-Liste. Zudem trugen wir einen Pool an zu prüfenden Zeitschriften zusammen.

Im Frühjahr 2022 holten wir informelles Feedback aus der Community ein, unter anderem von der DINI AG Epub und den OA-Koordinator*innen der TU9-Universitäten, und tauschten uns mit der DFG und dem DOAJ aus. Dies ermöglichte uns eine vorerst finale Ausarbeitung unseres Prüfverfahrens.

Die erstmalige Prüfung begann im Herbst 2021. Die Methodik wurde iterativ verfeinert, um die Kriterien zu präzisieren. Im September 2022 veröffentlichten wir schließlich Version 1 unserer Prüfliste.

Ab Dezember 2022 war eine geplante Wiedervorlage vorgesehen, bei der alle Titel erneut geprüft und neue Zeitschriften in die Liste aufgenommen wurden. Dabei konsolidierten wir auch unseren Workflow, indem wir beispielsweise die Prüfung der Updates von Zeitschriften-Webseiten per Skript automatisierten und Verbesserungen an der Excel-Liste vornahmen.

Im September 2023 veröffentlichten wir dann Version 2 unserer Prüfliste. Ab Dezember 2023 führten wir Diskussionen über die Bedeutung des DEAL-Vertrags mit Elsevier und dessen Auswirkungen auf unsere Liste. Ein Austausch mit der DFG über das weitere Verfahren sowie eventuelle Auswirkungen auf das Förderprogramm wurde eingeleitet.

Herausforderungen in der Praxis

Eine zentrale Frage bei der Bewertung von Journalen ist die dedizierte Betrachtung der teils eher ‚weichen‘ Kriterien für die Entscheidung, ob es sich um ein Mirror Journal handelt oder nicht. Wo beginnt z.B. eine Namensähnlichkeit und wo endet sie? Wie lassen sich der Übereinstimmungsgrad von Aims & Scope oder des Editorial Boards mit möglichst wenig Aufwand und nachvollziehbar überprüfen? Waren die Hinweise in der Selbstbeschreibung „This is a mirror journal of …“ eingangs noch hilfreich und eindeutig, so konnte im Laufe der Zeit eine Bewegung hin zu anderen Begriffen (companion title, sister bzw. partner journal) beobachtet werden. Nicht immer auf den ersten Blick war klar, ob dabei lediglich das Label für eine Zeitschrift geändert wurde, oder ob das auch mit Änderungen des Journalbetriebs verbunden war.

Die neue Varianz der Selbstbezeichnungen (mirror, companion, sister, partner) stieß bei uns eine Diskussion an, ob die einzelnen definierten Prüfkriterien unterschiedliche gewichtet werden sollten. War die Selbstauskunft „Mirror“ noch absolut und als alleiniges Kriterium im Wesentlichen ausreichend, so wurden die Grenzen für eine eindeutige Bewertung diffuser. Eine Entwicklung, die in der nicht zum Abschluss geführten Diskussion der Gewichtung einzelner Kriterien ihren Anfang genommen hat und sicherlich weiteren Raum für Diskussionen eröffnet.

Im Laufe der Zeit hat uns besonders ein Aspekt immer wieder beschäftigt: die Position der DFG. Diese ist deshalb relevant, weil die DFG im Rahmen des aktuellen Förderprogramms Open-Access-Publikationskosten einerseits die folgende Vorgabe macht: „Publikationen in sogenannten mirror journals können nicht gefördert werden“ (s. DFG-Vordruck 12.21 – 01/24). Andererseits stellt die DFG keine näheren Erläuterungen bereit, was sie unter dem Begriff versteht und welche Art von Praktiken sie konkret von der Förderung ausschließen will. Auf Nachfrage unserer Gruppe bekamen wir die (nachvollziehbare) Rückmeldung, dass die Bereitstellung von Positiv- oder Negativlisten förderfähiger Zeitschriften nicht möglich ist, da dies nicht den DFG-Richtlinien zur Formulierung von Förderkriterien entspräche. Im FAQ zum Förderprogramm OA-Publikationskosten verweist die DFG auf die im OA-Monitor hinterlegte Liste – also auf das Ergebnis unserer Arbeitsgruppe (s. Eintrag „Welche Verwendungszwecke sind definitiv nicht möglich?“).

In der Praxis bedeutet es für am DFG-Programm teilnehmende Einrichtungen de facto, dass es in ihrer eigenen Verantwortung liegt zu entscheiden, wie sie bei der OA-Publikationsförderung vorgehen und welche Definition und welche Werkzeuge zur Identifikation von Mirror Journals sie einsetzen.

Mit Blick auf DEAL und andere OA-Rahmenverträge ergibt sich im Finanzierungsalltag zudem die Herausforderung, dass die zentrale Finanzierung für eine Vielzahl von Zeitschriften (häufig das gesamte Portfolio) vertraglich geregelt ist – darunter jedoch auch Mirror Journals sind, insbesondere im Fall von Elsevier-DEAL. Wie damit umgehen, wenn die selbst definierten oder von der DFG vorgegebenen Förderbedingungen und die qua Vertrag vereinbarte zentrale Finanzierung für einzelne Zeitschriften partout nicht zusammenpassen? Wohlgemerkt sind Mirror Journals dabei nur ein Aspekt und es gibt weitere etablierte Förderkriterien, die bspw. bei DEAL ausgehebelt werden (etwa DOAJ-Indexierung, Kostenobergrenzen). Institutionen müssen an der Stelle entscheiden, ob sie dann wirklich alle Artikel zentral finanzieren (oder ggf. intern verrechnen) und welche Prüfmechanismen sie dabei und beim DFG-Reporting anwenden – und ob/wie sie diese Zusammenhänge den Autor*innen kommunizieren.

Die Community ist gefragt!

Viele der als Mirror Journals identifizierten Zeitschriften erscheinen beim Verlag Elsevier. Zwar existieren laut Eigenaussage des Verlags keine Mirror Journals mehr (Auskunft des Verlags ggü. MDPLS im Februar 2024, Quelle: DEAL-Mailingliste 6.2.2024), auf die durch die Arbeitsgruppe definierten Kriterien geht der Verlag in seiner Stellungnahme jedoch nicht ein. Durch den seit dem 01.09.2023 wirksamen DEAL-Vertrag mit Elsevier werden die berechtigten Artikel an vielen Institutionen pauschal finanziert. Aktuell hat die Mirror-Journal-Liste im Finanzierungsworkflow unserer vier Institutionen (Charité, FZ Jülich, TU Berlin, TU Braunschweig) kaum bis gar keine Relevanz mehr. Wir haben uns daher die Frage gestellt, ob wir die für die Prüfung der Liste und auch für Absprachen benötigte Arbeitszeit länger rechtfertigen können. Es fällt uns zunehmend schwer und wir haben daher, nicht leichten Herzens, beschlossen, die Arbeit in unserer Gruppe nicht fortzuführen.

Die Weiterentwicklung der Liste ist aus vielerlei Hinsicht weiterhin sinnvoll: So werden Mirror Journals durch die DFG in ihrem Förderprogramm „Open-Access-Publikationskosten“ als nicht förderfähig deklariert, wodurch sie in den Förderkriterien lokaler Publikationsfonds oftmals ausgeschlossen werden. Die Mirror-Journals-Liste fungiert als zentrales Werkzeug zur Identifizierung entsprechender Titel anhand einheitlicher und transparenter Kriterien. Sie ist z.B. in der B!SON typo3-Extension und dem OA-Monitor sowie in der EZB eingebunden.

Am Beispiel Elsevier ist zu sehen, dass Verlage schnell reagieren, um Initiativen, die einfache Identifikation ermöglichen, zu umgehen. So wird mit alternativen Bezeichnungen versucht, entsprechenden Kritiken auszuweichen. Durch die gemeinsame Nutzung einer validierten Liste können Bibliotheken und Forschungseinrichtungen ihre Argumentationsgrundlage langfristig gegenüber Verlagen stärken, um etwaige Gebaren nicht einfach hinzunehmen.

Wir möchten gern andere einladen, die Arbeit an und mit der Prüfliste fortzusetzen. Wir haben als Gruppe viele Vorarbeiten geleistet und können viele Erfahrungen und Hilfsmittel weitergeben. Das würden wir auch gern tun! Denkbar (und wünschenswert) ist, dass sich Personen aus mehreren Institutionen finden, die sich die Arbeit in einem neuen Team organisieren – gern stehen wir für eine Übergangszeit beratend zur Verfügung.

Die als Werkzeug zur Verarbeitung der aufgestellten Prüfkriterien erstellte Excel-Tabelle berücksichtigt zurzeit folgende Informationen:

  • Angaben zum potentiellen Mirror Journal (u.a. Titel, Verlag, URL, ISSN)
  • Angaben zum Parent Journal (u.a. Titel, Verlag, URL, ISSN)
  • Angaben der Prüfkriterien (Namensähnlichkeit, Übereinstimmung der Editorial Boards zu min. 50%, Eigenaussage Mirror / Companion / Sister Journal, Übereinstimmung von Aims und Scope)
  • Angaben zu den prüfenden Einrichtungen (Name und Datum der Prüfung)
  • Status der Prüfung (aktuell bzw. erneute Prüfung notwendig)

Zudem wurden in der Excel Tabelle folgende Rahmenbedingungen gesetzt:

  • Mindestens zwei Einrichtungen sind für eine abschließende Beurteilung erforderlich.
  • Sechs Monate nach der letzten Prüfung erfolgt ein Hinweis, dass eine Revision der Prüfung erforderlich ist.
  • Alle Prüfkriterien sind gleichwertig.
  • Zwei von vier Prüfkriterien sind mit „Ja“ zu beantworten, damit der Status Mirror Journal identifiziert wird.
  • Abweichend davon ist die Angabe von „Mirror Journal“ als alleiniges Merkmal für einen positiven Befund ausreichend.

Ein „Leitfaden zur Benutzung und Dateneingabe“ für Bearbeiter*innen liegt vor und kann ebenso wie die Excel-Tabelle selbst für eine Verwendung und Weiterentwicklung zukünftig zur Verfügung gestellt werden. Eine Handreichung zur „Logik“ der Excel Tabelle wird bei Bedarf nachgereicht. Eine Weiterentwicklung des Prüfverfahrens durch eine neue Arbeitsgruppe ist selbstverständlich möglich.

Wer kann sich vorstellen, hier zukünftig aktiv zu werden und einen Beitrag für die Community zu leisten? Über Kontaktaufnahme würden wir uns freuen!

Autor*innen

Zitiervorschlag

Barbers, Irene; Elsner, Carsten; Schütze, Katja & Voigt, Michaela. “Nachfolge gesucht! Warum das Thema ‚Mirror Journals‘ herausfordernd bleibt und Unterstützung aus der Community gefragt ist” Blog der DINI AGs, 2024. https://doi.org/10.57689/dini-blog.20240513.


Dieser Beitrag – ausgenommen Zitate und anderweitig gekennzeichnete Teile – ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0).
Das Beitragsbild „Mirror Mirror on the wall, who is the prettiest owl of them all?“ von Wagner Machado Carlos Lemes ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 International Lizenz (CC BY 2.0).

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