Dass Hochschulen eigene Forschungsinformationssysteme nutzen, ist im Jahr 2020 für viele nichts Neues. Als sich allerdings acht hessische Hochschulen 2013 zu einem Verbund zusammenschlossen, um gemeinsam diese Informationssysteme einzurichten, war dies (noch) keine Selbstverständlichkeit. Schließlich hatten die Hochschulen ganz unterschiedliche Digitalisierungsbedarfe, die sich auf verschiedene Verwaltungsprozesse rund um KDSF-konforme Datenvorhaltung bezogen. Warum also ein gemeinsamer Vorstoß?
Wie alles begann
Unter der Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen riefen die Hochschule Fulda, die Technische Hochschule Mittelhessen, die Frankfurt University of Applied Sciences, die Hochschule Geisenheim University, die Philipps-Universität Marburg und die Universität Kassel im Jahr 2013 den Verbund Hessisches Forschungsinformationssystem (HeFIS) ins Leben. An der Universität Kassel gab es zu diesem Zeitpunkt bereits ein Forschungsinformationssystem; sie war für die anderen am Verbund beteiligten Hochschulen ein Vorbild und unterstützt die Gruppe von Beginn an in beratender Funktion und als wichtige Austauschpartnerin. Im Verbund schlossen sich also ganz unterschiedliche Hochschultypen verschiedener Größen und mit unterschiedlichen Ausrichtungen zusammen. Sie verfolgten das gemeinsame Ziel, an den Hochschulen eigene Forschungsinformationssysteme zu etablieren.
- Das HeFIS-Projekt befindet sich seit 2016 in der 2. Projektphase und ist mittlerweile auf elf Standorte angewachsen.
- Der Austausch findet in regelmäßigen Treffen auf zwei Ebenen statt: die AG Koordination besteht aus den Standortkoordinatorinnen und -koordinatoren, sowie der Gesamtkoordination des Verbunds und trifft sich im Zwei-Monats-Takt persönlich und – bei Bedarf – mehrmals pro Monat per Videokonferenz.
- Der Lenkungsausschuss umfasst sowohl die Arbeits- als auch die Leitungsebene. Hier findet zwischen allen zuständigen Vizepräsidentinnen und -präsidenten, der Arbeitsebene und der Ebene Koordination pro Quartal ein Austausch statt, zu dem auch Vertreter und Vertreterinnen des Hauptpersonalrats des Landes Hessen und – bei Bedarf – auch Vertreter und Vertreterinnen des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie Vertretungen von relevanten Softwareunternehmen eingeladen werden. So können etwa übergeordnete Abstimmungsbedarfe oder die Vorstellung neuer Produkte gebündelt erfolgen.
Anfänge, Anforderungen und Anschaffungen
Das erste und wichtigste Ziel des Verbunds war zunächst die gemeinsame Anschaffung eines Forschungsinformationssystems (FIS) mit dem eine bedarfsgerechte und zeitnahe Datenhaltung und Berichterstattung zu allen Aspekten der Forschung (Publikationen, Patente, Drittmittel, Promotionen usw.) möglich sein sollte. Die Funktionen des FIS sollten außerdem aufwendige, bisher oftmals manuell durchgeführte Tätigkeiten deutlich erleichtern. Ein weiteres Ziel des Verbunds war von Beginn an, den intensiven Austausch zwischen den beteiligten Hochschulen zu fördern, um so Best-Practice-Beispiele im Bereich der Organisation zur Erfassung und Auswertung von Forschungsinformationen zu nutzen und gemeinsam Werkzeuge zur Prozessoptimierung auf Basis des FIS zu entwickeln.
Der erste Schritt für die Umsetzung der Ziele war die Erstellung eines gemeinsamen Anforderungskatalogs. Ein großer Vorteil hierbei waren von Beginn an die Vorerfahrungen der Universität Kassel. Auf dieser Basis begann der Verbund ein gemeinsames Beschaffungsverfahren. Nach einem hochschulübergreifenden Prüf- und Auswahlverfahren entschieden sich die HeFIS-Standorte für die Einführung der Software „Converis“ als Forschungsinformationssystem. Hier konnten durch die Verhandlungen im Verbund finanzielle Vorteile erzielt sowie Verwaltungsaufwand minimiert werden.
Die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Hochschule Fulda wurden in der nächsten Phase des Projekts zunächst zu Pilotstandorten, um die Implementierung der Software zu testen. Eine gemeinsame Datenhaltung strebte der Verbund zunächst ebenfalls an, allerdings wurde schnell klar, dass diese nicht durchführbar ist. Auch beim Hosting zeigte sich, dass Flexibilität im Verbund zu Erfolg führt: teilweise entschieden sich die Mitglieder dafür, ihre Systeme jeweils selbst zu hosten, während die Technische Hochschule Mittelhessen zunächst auch das Hosting auch für die Frankfurt University of Applied Science, die Hochschule Geisenheim University und die Hochschule Fulda übernahm.
Phase 2: Der Verbund wächst
Mit dem Ende der ersten Förderphase entschied sich der Verbund für eine Erweiterung und somit für eine Beantragung der zweiten Förderphase. Zu den Standorten der ersten Phase stießen nun in 2016 die Hochschule Darmstadt, die Technische Universität Darmstadt und die Goethe-Universität Frankfurt. Im Jahr 2018 komplettierte die Hochschule RheinMain den Verbund, der seitdem aus elf Standorten in Hessen besteht.
In der zweiten Projektlaufzeit setzte sich der Verbund als Ziele:
- die Weiterentwicklung und weitgehende Anpassung der installierten Systeme an die individuellen Bedarfe der Hochschulen;
- eine hochschulübergreifende und abgestimmte Umsetzung der Anforderungen an ein internes und externes Forschungsberichtswesen mit den eingeführten Systemen, wenn möglich unter Berücksichtigung der Umsetzungsmöglichkeiten des Kerndatensatzes Forschung;
- die Erweiterung auf weitere Standorte in Hessen sowie eine massive Konsolidierung des gesamten Kompetenznetzwerkes.
Die Integration der neuen Partnerinnen veränderte auch die Ausgangslage: Nicht alle Hochschulen des Verbunds nutzen die Software Converis, da die TU Darmstadt aus technologischer wie prozessualer Sicht anders als die bereits dem HeFIS-Verbund angehörigen Hochschulen aufgestellt ist und so ihr eigenes FIS implementiert. Dieser Trend setzte sich während der zweiten Förderperiode fort, da sich das neue Produkt der HIS eG für einige Standorte als geeignetere Option für die Umsetzung ihrer eigenen Forschungsinformationssysteme herauskristallisierte. Doch auch hier kann der Verbund weiterhin zum Vorteil genutzt werden: in den AGs besteht systemoffene Möglichkeit zum Austausch über die Implementierung beider Softwaresysteme und Erfahrungen.
Working in Workshops
Auch wenn nun nicht mehr alle HeFIS-Hochschulen die gleiche Software nutzen, bewährt sich die Zusammenarbeit weiterhin auf mehreren Ebenen. Etwa begünstigte die AG Koordination als Instrument auch die Informationsweitergabe sowohl innerhalb des Kreises der Standortkoordinatorinnen und -koordinatoren, als auch in der externen Kommunikation. Schon in der Anfangszeit des Verbunds wurde ein gemeinsames Kommunikationskonzept erstellt und umgesetzt – so organisierte die Gesamtkoordination beispielsweise ganztägige Informationsveranstaltungen für alle am Verbund beteiligten Hochschulen, die zur Vorstellung des FIS diente. Zum Konzept gehört auch die Erstellung und Nutzung einer gemeinsamen Webseite und Logos, zu finden unter: https://www.uni-giessen.de/hefis
Abwechselnd, und basierend auf entsprechender Expertise, richten die Hochschulen Workshops und Schulungen zu den verschiedenen Aspekten der FIS aus. Darüber hinaus nehmen sowohl die Gesamtkoordination als auch die Standorte an Veranstaltungen außerhalb des Verbunds teil, um das Wissen anschließend in den Treffen der AG weiterzugeben. So wurde der Verbund beispielsweise auch bei der euroCRIS-Tagung im November 2019 einer größeren Community vorgestellt.
Dank des Verbunds konnten auch viele der Veranstaltungen an hessischen Hochschulen stattfinden und sich die Standorte so deutlich sichtbar in den verschiedenen Zusammenschlüssen, wie etwa in der Gruppe der deutschsprachigen Nutzer der Software Converis, engagieren.
Gemeinsame Anschaffung eines Forschungsinformationssystems: Lessons Learned
- Die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Hochschulen ist wertvoll. So konnten im HeFIS-Verbund Ressourcen gespart und wesentliche Fortschritte schnell erzielt werden.
- Durch die gemeinsame Struktur eines großen Verbunds konnte vor Ort in kleineren Teams gearbeitet werden.
- Für kleinere Hochschulen ist eine Einführung eines FIS ohne die Unterstützung durch einen Verbund fast unmöglich. Gemeinsame Vertragsverhandlungen, der technische Support, die Kommunikation mit dem zuständigen Ministerium und die nötige Vorerfahrung ist nicht immer ausreichend vor Ort vorhanden.
- Fehler werden vermieden – durch die Abstimmung und den intensiven Austausch der Standorte kam es zu einer geringeren Fehlerquote.
- Ein FIS sollte modular eingeführt werden – die Einführung eines Forschungsinformationssystems ist eine so komplexe Angelegenheit, dass schon Zwischenergebnisse sichtbar gemacht werden müssen, um Fortschritte zu demonstrieren.
- Diverse Teams: eine gute Mischung aus Personal mit sehr guter Kenntnis der örtlichen Strukturen und neuem Personal mit frischen Ideen bringt das Projekt FIS wesentlich voran.
Autorin und Autor
Dieser Beitrag ist verfasst von Franziska Külbel und Bastian Loibl.
Zitiervorschlag
Külbel, Franziska, and Bastian Loibl. „Der HeFIS-Verbund: Gemeinsam Forschungsinfrastruktursysteme Etablieren.” Blog der DINI AGs FIS & EPUB, 2020. https://doi.org/10.57689/DINI-BLOG.20201012.
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Ich finde dies einen sehr aufschlussreichen Erfahrungsbericht, der mir einen besseren Einblick in HeFIS ermöglicht. Ich kann die genannten Mehrwerte aus Sicht von HeFDI (Pendant für Dateninfrastrukturen) nur unterstreichen – hier hochschulübergreifend im Land zusammenzuarbeiten hilft enorm, weil wir durch Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer die Hürden und den Aufwand für den einzelnen Standort erheblich minimieren. Weiter so ?
Vielen Dank für diesen Bericht! Mich würde noch interessieren, was ausschlaggebend dafür war, dass die Wahl auf Converis fiel. Sehen Sie in diesem System besondere Stärken als dezidierte Verbund-Lösung?
Zu den Stärken und Schwächen von Converis ist womöglich auch in dem Beitrag zu Converis an der WWU etwas zu finden: https://blogs.tib.eu/wp/dini-ag-blog/2019/04/01/converis-wwu/
Hallo Herr Hass, als besondere Stärken von Converis sehe ich folgende Aspekte:
– Das System ist umfassend anpassbar. Datentypen, Attribut und Workflows können fast beliebig konfiguriert werden. So konnten wir an der Frankfurt UAS z.B. interne Verwaltungs- und Freigabeprozesse gut im System abbilden und so digitalisieren.
– Converis bietet als All-in-One Lösung Datenbank, digitale Workflows, Berichtswesen und öffentliches Forschungsportal in einer Plattform. Hierdurch entfallen aufwändige Schnittstellen zu anderen Systemen, die auch gepflegt werden müssten. Diese können über ETL-Prozesse und eine REST-API jedoch auch umgesetzt werden, z.B. zu einer Data Warehouse oder BI-Lösung.
Das Ganze kommt natürlich zu einem Preis. Nicht alles ist umsetzbar und häufiger benötigt man kreative Workarounds, um eine Anforderung zu implementieren. Spezialisierte Softwarelösungen können häufig besser auf die Bedarfe der Hochschule abgestimmt werden. So ist die mitgelieferte BI-Software zwar nutzbar, aber eine spezialisierte hochschulweite Lösung oft besser oder einfacher zu bedienen. Auch ist das Forschungsportal in seinem Funktionsumfang begrenzt. Eine eigene Webapplikation oder eine Integration in das CMS der Hochschule bieten oft mehr Möglichkeiten.
Als Verbundlösung (im Sinne von ein System für mehrere Hochschulen) würde ich Converis jedoch nicht einsetzen. Hierzu sind die Hochschulprozesse, Anforderungen und Bedarfe in einem Verbund meist zu unterschiedlich, um diese in einem gemeinsamen System abbilden zu können. Mir wäre aber auch keine vergleichbare Software bekannt, bei der das zufriedenstellend gehen würde.
Mich würden die konkreten Ergebnisse interessieren – gibt es eine Aufstellung des erreichten je Hochschule?