Open Science braucht eine starke Repositorien-Landschaft – Neuer COAR Report zu Stand und Herausforderungen europäischer Repositorien

Repositorien stellen eine Schlüsselinfrastruktur in der Open-Science-Landschaft dar. Sie sammeln und bewahren Forschungsergebnisse, ermöglichen gleichberechtigten, freien Zugang zu Inhalten für Mensch und Maschine, inkl. Zugriff für Analysen, Text-und Data-Mining und anderen IT-gestützte Forschungsmethoden. Ihre Nutzung wird deshalb zunehmend auch von Förderern aktiv empfohlen und teilweise sogar gefordert.

Allerdings gibt es hinsichtlich Funktionalität, Mehrwertdiensten und Vernetzung bekanntlich noch Optimierungsspielraum, der zuletzt an verschiedenen Stellen diskutiert wurde1. Mit dem aktuellen Report „Current State and Future Directions for Open Repositories in Europe“ (Studie | Datensatz) lenkt die Confederation of Open Access Repositories (COAR) den Fokus weg von den Visionen über mögliche funktionale Erweiterungen hin zu den konkreten lokalen Gegebenheiten und Herausforderungen sowie übergeordneten Handlungsfeldern. Diese sollen der Erarbeitung einer Strategie zur Stärkung des – in diesem Fall europäischen – Repositoriennetzwerks als Basis zukünftiger Open-Science-Entwicklungen dienen. 

Gegenstand des Reports ist eine Umfrage zur europäischen Repositorienlandschaft, die OpenAIRE, LIBER, SPARC Europe und COAR im Frühjahr 2023 durchgeführt und an der 394 Repositorienbetreibende aus 34 Ländern teilgenommen haben. Die Erhebung liefert zunächst einige basale Informationen zu den Repositorien, etwa Verortung, Inhalt, Sprache, Nutzendengruppe, Software, Metadaten, PIDs usw. Darüber hinaus werden Langzeitarchivierung, Nutzungsstatistiken, Kuration und Services rund um den Austausch von Daten und Metadaten mit anderen Systemen und Diensten thematisiert.

Die reinen Fakten sind wenig überraschend: Europäische Repositorien sammeln eine Vielzahl von Inhalten, die verschiedene Publikationstypen und Disziplinen abdecken. Technisch existieren weitgehend Standards (Verwendung von PIDs und standardisierten Metadaten, Lizenzen, Schnittstellen sowie die Indexierung in externen Systemen etc.), die zum einen die Auffindbarkeit und Wiederverwendung von Ressourcen sicherstellen, zum anderen auch die Grundlage für innovative Dienste, die auf den Inhalten der Repositorien aufbauen, bieten können. Auch die organisatorischen Basisdienste sind weitgehend vergleichbar, etwa Metadatenprüfung und Einreichungsunterstützung. In diese Aufgaben fließen fast 50% der Arbeitszeit der durchschnittlich knapp unter drei Vollzeitmitarbeitenden (FTE) je Repositorium bzw. Organisationseinheit.

Bereits in ihren Grundfunktionen sehen die Autor*innen Repositorien als entscheidende Infrastrukturen, um Open Science und Forschungsreformen zur Förderung des Austausches von Forschungsergebnissen voranzutreiben. Sie ermöglichen nicht nur den Zugriff auf Artikel, die bereits in kostenpflichtigen Zeitschriften veröffentlicht wurden (Zweitveröffentlichung), sondern den Zugang zu verschiedensten Arten von Forschungsergebnissen wie Dissertationen, Konferenzbeiträgen, Forschungsdaten, Preprints, Software/Code usw.

In der Vielzahl von Mehrwertdiensten, zu denen Repositorien darüber hinaus beitragen, sehen die Autor*innen eine klare Entwicklung in Richtung der Next Generation Repositories. Dies bedeutet, dass Repositorien nicht nur institutionelle Dienste sind, sondern als vernetzte Repositorien einen integralen Bestandteil eines breiteren Ökosystems darstellen. Dabei wird ein verteilter Ansatz mit nationalen und regionalen Knotenpunkten als tragfähiges Modell auch für andere wissenschaftliche Kommunikationsinfrastrukturen gesehen. Zugleich werden aber auch Herausforderungen identifiziert:

  1. die Aufrechterhaltung aktueller und hochfunktionaler Softwareplattformen,
  2. die Anwendung konsistenter und umfassender bewährter Praktiken in Bezug auf Metadaten, Erhaltung und Nutzungsstatistiken sowie
  3. die Erlangung angemessener Sichtbarkeit im wissenschaftlichen Ökosystem.

Diese Herausforderungen führen die Autor*innen auf mehrere miteinander verbundene zugrundeliegende Faktoren zurück:

  1. Lokales Softwaremanagement: Die Verwaltung von Open-Source-Software, insbesondere die Sicherstellung der Aktualität des Systems, erfordert lokale technische Expertise und einen hohen Zeitaufwand. Dabei befinden sich die Verantwortlichen oft im Spannungsfeld der Anforderung lokaler Anpassungen einerseits und der Gewährleistung von Interoperabilität und Updatefähigkeit andererseits. Insbesondere die Notwendigkeit zeitaufwändiger Upgrades kann die Servicebereitstellung negativ beeinflussen.
  2. Personalausstattung: Die Organisationseinheiten, die für die Repositorien zuständig sind, sind personell oft schlecht ausgestattet, was die Pflege des Systems und der Daten wie auch die grundlegende Unterstützung der Nutzenden erschwert.
  3. Verteilte Struktur von Repositorien: Die dezentrale Natur der Repositorienlandschaft ist eine strukturelle Stärke in puncto Nachhaltigkeit, führt aber gleichzeitig zu geringer Sichtbarkeit und isolierter Arbeit. Übergeordnete Dienste und Netzwerke könnten dem entgegenwirken.

Abschließend identifizieren die Autor*innen drei Bereiche, über deren gemeinsame Entwicklung die Repositorienlandschaft in Europa gestärkt werden könne:

  1. Hervorhebung des Nutzens von Repositorien und Einsatz für die wichtige Rolle von Repositorien in Europa
  2. Verbreitung bewährter Praktiken für Repositorien in ganz Europa, um eine konsistente Qualität und Leistung sicherzustellen
  3. Unterstützung bei der Schaffung und Koordination nationaler Netzwerke, um eine effiziente Zusammenarbeit und Ressourcenoptimierung zu fördern

Der Report erfasst den Status Quo der europäischen Repository Landschaft und identifiziert konkrete Herausforderungen, deren Ursachen und mögliche Entwicklungsfelder. Es wird spannend sein, welche konkreten Maßnahmen die Gruppe für die benannten Handlungsfelder erarbeitet; insbesondere dahingehend, ob der Rahmen, den eine Strategie setzen kann und muss, tatsächlich die hier geschilderten – zwar flächendeckenden aber dennoch lokalen – Herausforderungen lösen kann. 

Mit der DINI-Brille offenbart die Umfrage zudem zwei weitere interessante Aspekte:
Erstens wird deutlich, dass die Orientierung an technisch-organisatorischen Standards eine wesentliche Grundvoraussetzung für die hohe Funktionalität von Repositorien, einzeln und v.a. als verteilte Infrastruktur darstellt. In Deutschland und z.T. darüber hinaus werden diese Standards allen voran durch das DINI-Zertifikat identifiziert oder definiert, verbreitet und aktualisiert. Dass der Umfrage zufolge nicht einmal ein Viertel der europäischen Repositorien (23 %) einen vorhandenen Zertifizierungsrahmen nutzen, weil entweder der Bewertungsprozess zu ressourcenintensiv oder bestehende Anforderungen als unerreichbar wahrgenommen werden, mindert dabei nicht die Orientierungswirkung, die die Zertifikatsvorgaben mutmaßlich auch jenseits der offiziellen Zertifizierung entfalten.

Zweitens zeigt ein Blick auf die bestehenden nationalen Netzwerke, denen sich eine beträchtliche Anzahl der Repositorien zuordnet, dass DINI trotz des Engagements im Bereich der Repositorien – neben der Zertifizierung/Standardisierung stehen hier u.a. Projektbeteiligungen, Positionspapiere und Workshops – nicht als relevantes “Netzwerk” wahrgenommen wird. 
In Hinblick auf das dritte Handlungsfeld stellt sich da die Frage, was genau ein Netzwerk leisten müsste bzw. ob sich eine übertragbare oder – mit Blick auf eine europäische Strategie – skalierbare best practice Variante identifizieren lässt und welche Rolle hier z.B. DINI einnehmen kann und sollte.

  1. Vgl. beispielsweise: Diamond & Fair: Positionspapier der TU9-Bibliotheken zu Open-Access-Büchern: https://doi.org/10.5282/o-bib/5926; Next Generation Repositories: Behaviours and Technical Recommendations of the COAR Next Generation Repositories Working Group: https://doi.org/10.5281/zenodo.1215014; Notify-Projekt: https://www.coar-repositories.org/notify/; Study on the readiness of research data and literature repositories to facilitate compliance with the Open Science Horizon Europe MGA requirements: https://doi.org/10.5281/zenodo.7728016). ↩︎

Zitiervorschlag

Deppe, Arvid: „Open Science braucht eine starke Repositorien-Landschaft – Neuer COAR Report zu Stand und Herausforderungen europäischer Repositorien“ Blog der DINI AGs FIS & EPUB, 2024. https://doi.org/10.57689/dini-blog.20240108.


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