Open-Access-Repositorien im Wandel: Strategien der Professionalisierung

Im Jahr 1995 ging mit MONARCH an der Technischen Universität Chemnitz eines der ersten institutionellen Open-Access-Repositorien in Deutschland online (Blumtritt, 2006). Anliegen dieser frühen Repositorien, die unter den Begriffen Dokumentenserver und Hochschulschriftenserver betrieben wurden, war es, Qualifikationsarbeiten zu veröffentlichen. Bei der Konzeption dieser Repositorien standen diverse Fragen im Raum, wie z. B. „In welchem Dateiformat soll ein elektronisches Dokument gespeichert werden, um hohe Verfügbarkeit, gute Recherchierbarkeit und eine Langzeitarchivierung zu sichern?“ (Martin & Schirmbacher, 1997). Mit dem DINI-Zertifikat wurde ab 2003 begonnen, einen Standard zu entwickeln, „um  Dokumenten-  und Publikationsserver  auf  der  Basis  internationaler Standards  und  gesicherten  Technologien  vernetzen  zu  können“ (Scholze, 2005).

Zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Version des DINI-Zertifikats liegt dieses in seiner Version 7.0 vor. Die Änderungen des Titels von ‘DINI-Zertifikat für Dokumenten- und Publikationsserver’ zu ‘DINI-Zertifikat für Open-Access-Publikationsdienste’ weist auf die Ausweitung des Leistungsspektrums der Open-Access-Repositorien hin. Heute finden sich in der Liste der Publikationsdienste der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation (DINI) 540 solche Dienste, von denen 224 dem Typ ‚Hochschulpublikationen‘ (Stand: 18.01.2024) zugeordnet werden können und somit im Wesentlichen die Gruppe der institutionellen Open-Access-Repositorien bilden. 

Im Jahr 2010 veranstaltete das Helmholtz Open Science Office mit DINI einen Workshop, in dem Thesen zur Zukunft der Open-Access-Repositorien diskutiert wurden. Eine der Thesen lautete: „Repositorien als passive Datenbanken sind für Forschung und Lehre unattraktiv. Der Grad der Einbindung eines Repositoriums in den wissenschaftlichen Arbeitsablauf entscheidet über den Erfolg des Repositoriums. Institutionelle Repositorien können als aktive Dienste, z. B. im Rahmen des Publikationsmanagements, Basis für vielfältige Services wie z. B. Bibliographien und persönliche Webseiten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sein.“ (Kindling, Müller, Pampel, 2010). 

Reflektiert man heute, 13 Jahre später nach der Formulierung der Thesen, die Rolle der Repositorien, wird deutlich, wie unterschiedlich die Ausprägung dieser Infrastrukturen an wissenschaftlichen Einrichtungen ist. Die Confederation of Open Access Repositories (COAR) betont die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Repositorien seit 2017 in ihrer Initiative „NextGeneration Repositories“. Auch der jüngst erschienene „Report on Repository Survey in Europe“ (Shearer et al., 2023; vgl. hierzu auch die Diskussion von Deppe, 2024) weist auf die aktuellen Herausforderungen bei dem Betrieb der Repositorien hin und identifiziert drei wesentliche Herausforderungen für diese Weiterentwicklung: einerseits Bedarf es zeitgemäßer und interoperabler Software-Lösungen für den Repositorien-Betrieb, konsequenter Umsetzung von „good practice“ für Metadaten, Langzeitarchivierung und Nutzungsstatistiken, sowie angemessener Sichtbarkeit innerhalb der wissenschaftlichen Community (vgl. Shearer et al. 2023, 3).

Um die Professionalisierung der Repositorien zu fördern und die Weiterentwicklung im o. g. Sinne zu unterstützen, startete im Oktober 2023 das Projekt „Professionalisierung der Open-Access-Repositorien-Infrastruktur in Deutschland“ (Pro OAR DE). Angesiedelt am Lehrstuhl für Information Managment des Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), untersucht das Vorhaben Open-Access-Repositorien (OAR) in Deutschland in einem offenen und kooperativen Ansatz.

Hierzu widmet sich das Projekt den dringenden Problemlagen beim Betrieb von OAR (z. B. dem Umgang mit Preprints oder der Sicherstellung der Compliance zu Open-Access-Förderbedingungen). Diese Problemlagen werden in Interviews und Workshops identifiziert und analysiert. Auf Basis der erzielten Ergebnisse werden die aktuellen Herausforderungen beim Betrieb der OAR in Vernetzungsforen mit der Community der Open-Access-Professionals adressiert. Hierbei kooperiert das Projekt mit relevanten Projekten und Netzwerken und greift internationale Entwicklungen auf. Dadurch wird die Entwicklung von Best Practices im Bereich der Informationsinfrastrukturen auf nationaler Ebene gefördert und die Vernetzung der Open-Access-Professionals verbessert.

Das zentrale Ergebnis des Projektes werden praxisorientierte Empfehlungen als Impuls zur Weiterentwicklung einer wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Kultur sein. Diese Empfehlungen werden wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland bei der Professionalisierung ihrer OAR unterstützen. Für die Leitungsebenen an Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen, Entscheider:innen in Förderorganisationen und Stakeholder der Wissenschaftspolitik werden darüber hinaus strategische Empfehlungen bereitgestellt, die auf Basis von nationalen und internationalen Entwicklungen die zentrale Rolle der OAR bei der Förderung von Open Access aufgreifen.

Der Antrag wurde kürzlich veröffentlicht (Pampel & Rothfritz, 2023). Das Projekt freut sich über die Zusammenarbeit mit Stakeholdern in der nationalen und internationalen Repositorien-Landschaft. 

Eine Übersicht über weitere Projekte in der Förderlinie des BMBF zu Open Access findet sich auf open-access.network.

Das Projekt freut sich auf die Kooperation mit der Repositorien-Community und steht bereits im engen Austausch mit der DINI AG Elektronisches Publizieren. Neuigkeiten zum Projekt werden auf der Projektwebsite und hier im Blog veröffentlich. Bei Anregungen und Fragen wenden Sie sich gerne an Marcel Wrzesinski. Weitere Informationen unter: https://www.ibi.hu-berlin.de/de/forschung/infomanagement/projekte/pro-oar-de

Autoren

Heinz Pampel arbeitet als Professor für Information Management am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin und als wissenschaftlicher Berater für Open Science im Helmholtz Open Science Office der Helmholtz-Gemeinschaft.

Marcel Wrzesinski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin und am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Governance und den Infrastrukturen wissenschaftlicher Kommunikation und Distribution. Hierzu gehören insbesondere Fragen nach der Zukunft wissenschaftlicher Zeitschriften, dem gerechten Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und nachhaltige Geschäftsmodelle für Diamond Open Access.

Zitiervorschlag

Pampel, Heinz & Wrzesinski, Marcel: „Open-Access-Repositorien im Wandel: Strategien der Professionalisierung“ Blog der DINI AGs FIS & EPUB, 2024. https://doi.org/10.57689/dini-blog.20240122

Referenzen 

Blumtritt, U. (2006). DINI Zertifikat für MONARCH-Dokumenten- und Publikationsservice der TU Chemnitz. Retrieved December 20, 2023, from https://dini.de/fileadmin/workshops/dezember-2006/blumtritt-berlin-2006-12-06.pdf

Deppe, A. (2024): Open Science braucht eine starke Repositorien-Landschaft – Neuer COAR Report zu Stand und Herausforderungen europäischer Repositorien. Blog der DINI AGs FIS & EPUB, 2024. https://doi.org/10.57689/dini-blog.20240108

Kindling, M., Müller, U., & Pampel, H. (2010). Thesen zur Zukunft von Open-Access-Repositorien. Retrieved December 20, 2023, from https://infobib.de/2010/11/30/thesen-zur-zukunft-von-open-access-repositorien/

Martin, N. & Schirmbacher, P. (1997). Die elektronische Publikation von Dissertationen an der Humboldt-Universität zu Berlin. cms-journal14. https://doi.org/10.18452/6216

Pampel, H., & Rothfritz, L. (2023). Professionalisierung der Open-Access-Repositorien-Infrastruktur in Deutschland (Pro-OAR-DE)https://doi.org/10.5281/zenodo.10173494

Scholze, F. (2005). Technik. Ein Jahr DINI-Zertifikat für Dokumenten- und Publikationsserver. Bibliotheksdienst39(2). https://doi.org/10.1515/bd.2005.39.2.233

Shearer, K., Nakano, K., Silvia, M., Rodrigues, E., Manola, N., Pronk, M. & Proudman, V. (2023). Current State and Future Directions for Open Repositories in Europe. https://doi.org/10.5281/zenodo.10255558


Dieser Beitrag – ausgenommen Zitate und anderweitig gekennzeichnete Teile – ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0).

Creative Commons Lizenzvertrag

2 Kommentare:

  1. Pingback: No. 04 - RfII

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert