Mirror Mirror on the wall, who is the prettiest owl of them all?

Spieglein, Spieglein an der Wand… Mirror Journals gezielt erkennen

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Eine Vielzahl deutscher Einrichtungen unterstützt die Finanzierung von Open-Access-Gebühren – aber nicht um jeden Preis: Für Publikationsfonds haben sich Förderkriterien etabliert, die neben Fragen der institutionellen Zugehörigkeit, der Höhe von Kosten und freien Lizenzen auch die Ebene der Zeitschriften berühren. Als Faustregel gilt: OA-Gebühren werden nur zentral finanziert, wenn a) die Zeitschrift über einen Rahmenvertrag mit dem Verlag abgedeckt ist oder b) es sich um eine echte, qualitätsgeprüfte wissenschaftliche Open-Access-Zeitschrift handelt. Mirror Journals sind eine Entwicklung eher jüngeren Datums, die womöglich etablierte Förderkriterien unterwandern. Was Mirror Journals sind und wie sie identifiziert werden können, beschreiben wir im Folgenden.

Hintergrund

Erste Beiträge, die sich mit dem Phänomen Mirror Journals (MJs) beschäftigten, erschienen vor ca. fünf Jahren (bspw. Cochran 2018) – als Reaktion auf das 2018 gestartete Pilotprogramm von Elsevier (Harrison 2019): Das Verlagshaus hatte ca. 40 neue Zeitschriften gegründet, die inhaltlich und organisatorisch eng angelehnt waren an eine jeweils etablierte Subskriptionszeitschrift (ggf. mit kostenpflichtiger OA-Option für einzelne Artikel) – aber unter leicht anderem Titel und mit eigenen ISSNs als genuine Open-Access-Zeitschriften erschienen.

Kritische Stimmen (vgl. etwa Werham 2018Matthews 2019) identifizierten diesen Ansatz schnell als Umgehung der OA-Fördervorgaben internationaler Forschungsförderer: Im September 2018 hatte sich die cOAlition S firmiert und den Plan S vorgestellt, welcher – vereinfacht gesagt – ab 2020 zum Open-Access-Publizieren verpflichtet und dabei die Förderung einzelner OA-Artikel in hybriden Zeitschriften ausschließt. Hinter der cOAlition S stehen namhafte, finanzstarke Förderorganisationen wie die Europäische Union und die Weltgesundheitsorganisation sowie internationale Förderer wie etwa der Schweizer SNF, der österreichische FWF oder die britische UKRI.

Die DFG ist nicht Partner der cOAlitionS, hatte aber in dem Förderprogramm Open Access Publizieren (Laufzeit: 2010–2019) von Beginn an ebenfalls die Förderung hybrider Zeitschriften ausgeschlossen (DFG Merkblatt 12.20Ploder et al. 2020). In Fortführung dieser Tradition können Institutionen in dem neuen Förderprogramm Open-Access-Publikationskosten (2021–2027) Zuschüsse für Open-Access-Kosten beantragen, die für OA-Journale bzw. im Rahmen von Transformationsverträgen entstehen.

Elsevier selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass MJs mit dem Ziel gegründet wurden, weiterhin Publikationsoptionen für alle Wissenschaftler*innen bieten zu können. So findet sich der Archivversion des Elsevier-FAQs zu MJs der Eintrag:

„Why are you launching these open access mirror journals?
As part of our continuing commitment to open access, and desire to provide high-quality options for authors to publish their work open access, we are taking steps to meet the needs of authors and readers in the changing research landscape. Therefore, Elsevier will be piloting a range of gold open access mirror journals, starting in 2018.“

Noch deutlicher macht es das erste Editorial des 2019 gestarteten MJ “Sleep Medicine : X”: Die gesamte Organisation der beiden Zeitschriften ist Editor*in Chokroverty zufolge darauf aufgerichtet, dass Autor*innen im Prinzip keinen Unterschied merken: Sie reichen den Artikel ein und entscheiden erst nach Akzeptanz, ob sie in der Originalzeitschrift oder im MJ publizieren. Die Zusammensetzung der Editorial Boards, die Redaktionsworkflows, der Pool an Reviewer*innen usw. sind identisch. Diese sehr klare Darstellung bestätigt die in den o.g. Beiträgen geäußerte Kritik, dass MJs einzig ein Ansatz zur Umgehung des Grundsatzes “keine Förderung hybrider Zeitschriften” darstellen.

Förderfähigkeit? Auch eine Frage der Identifikation

Und nun also diese neue Form von Zeitschriften. Stellen MJs das Schlupfloch in Vorgaben von DFG und cOAlition S dar (keine Einzelförderung für OA in hybriden Zeitschriften)? Jein!

Einerseits: Sowohl coalition S als auch die DFG haben klar Stellung bezogen – Artikel in MJs sind nicht förderfähig:

  • PlanS Principles & Implementation: “Open Access journals must not have a mirror/sister subscription journal with substantial overlap in editorial board to avoid business models charging for both access and publication. Such journals will de facto be considered ‘hybrid’ journals.”
  • DFG Vordruck 12.21(S. 13) “Publikationen in sogenannten mirror journals können nicht gefördert werden.“

Andererseits: Es bleibt offen, wie man zuverlässig feststellt, ob es sich um ein MJ handelt:

  • Stichproben für das von cOAlition S bereitgestellte Journal Checker Tool zeigten, das MJs (noch) nicht zuverlässig identifiziert werden. (Dieses Tool soll Autor*innen dabei helfen, OA-Vorgaben der jeweiligen Institution und Förderorganisation bei der Zeitschriftenauswahl zu berücksichtigen.)
  • Die DFG schließt MJs zwar aus, will auf Nachfrage aber keine Positiv- oder Negativliste förderfähiger Zeitschriften bereitstellen, da dies nicht den Richtlinien zur Formulierung von Förderkriterien entspräche.

Bleibt als mögliche Arbeitshilfe für den OA-Geschäftsgang noch das Directory of Open Access Journals (DOAJ). Der DOAJ-Kriterienkatalog müsste allerdings komplett überarbeitet werden, wollte man MJs ausschließen.

Wenn du mal nicht weiter weißt…

Die korrekte und einfache Identifikation von MJs ist in zweierlei Hinsicht wichtig: 1) im institutionellen OA-Geschäftsgang, wenn es um die Entscheidung der Kostenübernahme geht, und 2) beim Publikationsmonitoring und der Datenanalyse etwa in Vorbereitung einer DFG-Antragsstellung.

Im OA-Monitor des FZ Jülich war bisher eine Titelliste mit einem Stand von April 2021 hinterlegt. Um gemeinsam Prüfkriterien zu entwickeln und eine MJ-Titelliste bereitzustellen, die ggf. auch in einem Fonds-Geschäftsgang einfach zu nutzen ist, hat sich einer kleiner Kreis von Kolleg*innen zusammengetan:

  • Charité – Universitätsmedizin Berlin: Jenny Delasalle, Katja Maly
  • FZ Jülich: Irene Barbers, Barbara Lindstrot, Heidi Schmiedicke, Franziska Stanzel
  • TU Berlin: Michaela Voigt
  • TU Braunschweig: Carsten Elsner, Jana Mersmann

Ausführlich und wiederholt haben wir in diesem Kreis diskutiert, welche Merkmale MJs eigentlich aufweisen. Wichtig war uns, operationalisierbare Prüfkriterien zu entwickeln – also eindeutig und objektiv beantwortbare Kriterien (“trifft (nicht) zu”). Die wichtigste Stütze bei der Festlegung war uns dabei die Definition für MJs des DOAJ:

“A mirror journal is a fully open access version of an existing subscription journal, with the same aims and scope, peer review processes and policies and an editorial board with at least 50% of the same members. The journal may have a similar name as the subscription title, but it must have a different ISSN. DOAJ will currently accept mirror journals if they meet the usual basic criteria for inclusion.”

Ergebnisse

Wir möchten nun das Ergebnis in einem größeren Kreis teilen und zur Nutzung zur Verfügung stellen: Die Titelliste ist im CSV-Format über das Repositorium des FZ Jülich verfügbar (https://doi.org/10.26165/JUELICH-DATA/JRBK07). Die Titelliste umfasst zunächst 55 Zeitschriften. Jede dieser Zeitschriften wurde durch mindestens zwei der o.g. Institutionen geprüft, wobei folgende Kriterien angelegt wurden:

  • Editorial Board zu (mind.) 50% identisch
  • Namensähnlichkeit
  • Eigenaussage MJ (oder ähnlicher Term)
  • Aims & Scope identisch

Eine ausführliche Dokumentation der Prüfkriterien findet sich im Wiki des OA-Monitors.


Mirror mirror on the wall… targeted detection of “mirror journals”

A large number of German academic institutions financially support OA fees – but not at any price: eligibility criteria have been established for publication funds that touch on questions of institutional affiliation, the level of costs, and open licenses, in addition to journal level criteria. As a rule of thumb, OA fees are only centrally funded if a) the journal is covered by a framework agreement with the publisher or b) it is a genuine, quality-controlled scholarly OA journal. Mirror journals are a rather recent development that may undermine established funding criteria. We describe what mirror journals are and how they can be identified below.

Background

The first articles addressing the mirror journal (MJ) phenomenon appeared about five years ago (e.g., Cochran 2018) – in response to Elsevier’s pilot program launched in 2018 (Harrison 2019): The publishing house had founded about 40 new journals, each closely modelled on an established subscription journal in terms of content and organisation (possibly with a paid OA option for individual articles) – but appearing as genuine OA journals under slightly different titles and with their own ISSNs.

Critical voices (see, for example, Werham 2018Matthews 2019) were quick to identify this approach as circumventing the OA funding requirements of international research funders: in September 2018, cOAlition S had formed and presented Plan S, which – simply put – commits to OA publishing from 2020, excluding funding for individual OA articles in hybrid journals. The cOAlition S is backed by well-known, financially strong funding organisations such as the European Union and the World Health Organization, as well as international funders such as the Swiss SNF, the Austrian FWF and the British UKRI.

The German Research Foundation (DFG) is not a partner of cOAlitionS, but had also excluded funding for hybrid journals from the outset in its funding programme „Open Access Publishing“, 2010–2019 (DFG Guidelines 12.20, Ploder et al. 2020). Continuing this tradition, in the new Open Access Publication Funding program (2021–2027) institutions can apply for grants for OA costs incurred in OA journals or under transformative agreements.

Elsevier itself has never made a secret of the fact that MJs were established with the goal of continuing to provide publication options for all researchers. Thus, the archive version of Elsevier’s FAQ on MJs includes the entry:

“Why are you launching these open access mirror journals?
As part of our continuing commitment to open access, and desire to provide high-quality options for authors to publish their work open access, we are taking steps to meet the needs of authors and readers in the changing research landscape. Therefore, Elsevier will be piloting a range of gold open access mirror journals, starting in 2018.”

The first editorial of the MJ “Sleep Medicine : X”, which was be launched in 2019, makes it even clearer: According to editor Chokroverty, the entire organisation of the two journals is based on the principle that authors do not notice any difference: They submit the article and only decide after acceptance whether they publish in the original journal or in the MJ. The composition of the editorial boards, the editorial workflows, the pool of reviewers, etc. are identical. This very clear presentation confirms the criticism expressed in the above papers that MJs are solely an approach to circumvent the “no funding hybrid journals” principle.

Eligibility? Includes the question of identification

And how to describe this new form of journals. Do MJs represent the loophole in requirements of DFG and cOAlition S (no individual funding for OA in hybrid journals)? Yes and no.

On the one hand: both cOAlition S and DFG have taken a clear position – articles in MJs are not eligible for funding:

  • PlanS Principles & Implementation: “Open Access journals must not have a mirror/sister subscription journal with substantial overlap in editorial board to avoid business models charging for both access and publication. Such journals will de facto be considered ‘hybrid’ journals.”
  • DFG Form 12.21 (p. 12): “Publications in mirror journals cannot be funded.”

On the other hand: It remains open how to reliably determine whether a journal is an MJ:

  • Samples for the Journal Checker Tool provided by cOAlition S showed that MJs are not (yet) reliably identified. (This tool is designed to help authors consider OA requirements of their institution and funding agency when selecting journals.)
  • The DFG does exclude MJs, but will not provide a positive or negative list of eligible journals when asked, as this would not comply with the guidelines for formulating funding criteria.

This leaves the Directory of Open Access Journals (DOAJ) as a possible working aid for OA administration. The DOAJ criteria catalogue would have to be completely revised though if one wanted to exclude MJs.

If you don‘t know where to turn…

The correct and easy identification of MJs is important in two ways: 1) in the institutional OA administrative process, when it comes to the decision of cost coverage, and 2) in publication monitoring and data analysis, for example in preparation of a DFG grant application.

Up to now, a title list with a status of April 2021 was stored in FZ Jülich’s OA Monitor. A small group of colleagues has joined forces to develop joint review criteria and to provide a list of MJ titles that can also be easily used when administering a fund:

  • Charité – Universitätsmedizin Berlin: Jenny Delasalle, Katja Maly
  • FZ Jülich: Irene Barbers, Barbara Lindstrot, Heidi Schmiedicke, Franziska Stanzel
  • TU Berlin: Michaela Voigt
  • TU Braunschweig: Carsten Elsner, Jana Mersmann

Within this circle, we discussed at length and repeatedly, which characteristics MJs actually exhibit. It was important for us to develop operationalisable test criteria – i.e. criteria that can be answered unambiguously and objectively (“applies / does  not apply”). The most important support for us in determining this was the DOAJ’s definition for MJs:

“A mirror journal is a fully open access version of an existing subscription journal, with the same aims and scope, peer review processes and policies and an editorial board with at least 50% of the same members. The journal may have a similar name as the subscription title, but it must have a different ISSN. DOAJ will currently accept mirror journals if they meet the usual basic criteria for inclusion.”

Results

We would now like to share the result in a wider circle and make it available for use: The title list is available in CSV format via the FZ Jülich repository (https://doi.org/10.26165/JUELICH-DATA/JRBK07). The title list initially includes 55 journals. Each of these journals was reviewed by at least two of the institutions mentioned above, applying the following criteria:

  • Editorial Board (at least) 50% identical
  • Similarity of name
  • Own statement MJ (or similar term)
  • Aims & Scope identical

A detailed documentation of the review criteria can be found in the OA Monitor’s Wiki.

Autorin

Text: Michaela Voigt (TU Berlin, Universitätsbibliothek; ORCiD: 0000-0001-9486-3189).
Englische Übersetzung: Jenny Delasalle (Charité – Universitätsmedizin Berlin; ORCiD: 0000-0002-2241-4525).

Zitiervorschlag

Voigt, Michaela. “Spieglein, Spieglein an der Wand… Mirror Journals gezielt erkennen” Blog Der DINI AGs FIS & EPUB, 2022. https://doi.org/10.57689/dini-blog.20220815


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Das Beitragsbild „Mirror Mirror on the wall, who is the prettiest owl of them all?“ von Wagner Machado Carlos Lemes ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 International Lizenz (CC BY 2.0).

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2 Kommentare:

  1. Liebe Kolleg*innen,

    zunächst einmal vielen Dank für diese Initiative!
    Die Liste ist sehr hilfreich in der Open-Access-Beratung. Da das Feld der Zeitschriften jedoch sehr dynamisch ist, wüsste ich gern, wie diese Liste aktualisiert wird. Konkret habe ich einen Verdacht bei einer Zeitschrift, dass es sich um ein mirror journal handeln könnte. Wie würde ich in solch einem Fall verfahren? Soll Ihnen der Titel gemeldet werden? Prüfen Sie dann erneut im 4-Augen-Prinzip?

    Über eine Rückmeldung zum Verfahren würde ich mich sehr freuen.

    Freundliche Grüße
    Kathrin Höhner

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