Gute Repositorien für alle und überall – das ‚COAR Community Framework for Good Practices in Repositories‘

Am 02. Februar 2021 gab COAR die Veröffentlichung des ‚Community Frameworks for Best Practices in Repositories‘ bekannt. Am 20. Juli 2022 wurde die zweite Version veröffentlicht. Die Titeländerung in „Good Practices“ sagt nichts über die Veränderungen des Inhalts gegenüber der ersten Version aus. Vieles wurde in der zweiten Version neu sortiert, anders formuliert oder ergänzt, um ein schärferes Gesamtbild zu gewinnen, was die heutigen ‚Good Practices‘ für Repositorien sind.

Ziele von COAR

COAR, die ‚Confederation of Open Access Repositories‘, agiert nach außen als Sprachrohr und Interessenvertretung der OA-Repositorien-Community. Sie arbeitet entsprechend der eigenen Vision auf ein globales, verteiltes Netzwerk von Repositorien im Sinne von Open Science hin, fördert Standardisierung, Interoperabilität und die Implementierung von neuen Entwicklungen. Das neue Community Framework formuliert verschiedene Kriterien, die für alle Open-Access-Repositorien, unabhängig von Typ oder Region, anwendbar sein sollen. Es bewegt sich also nahe am Wesenskern der Organisation und ihrer Zielstellung.

Entstehung des Frameworks

Die erste Version hatte den Anspruch, verschiedene Standards und Evaluierungskriterien zusammenzuführen, da sich diese oft nur auf einzelne Facetten oder Regionen fokussieren. Dafür wurden berücksichtigt:

Im März 2022, ein gutes Jahr nach der Verkündigung der ersten Version, rief COAR die Community zu Feedback auf: Wie werden die vorhandenen Kriterien bewertet? Sollten weitere Kriterien einbezogen werden? Es wurde um Beispiele und Leitlinien aus der Community gebeten.

Neuerungen in der aktualisierten Version

In der im Juli 2022 veröffentlichten zweiten Version werden die (als gefordert (‚essential‘) oder wünschenswert (‚desired‘) eingestuften) Zielsetzungen in acht Abschnitte unterteilt: Discoverability, Access, Reuse, Integrity and authenticity, Quality assurance, Preservation, Sustainability and governance und Other. Damit gibt es einen Abschnitt weniger als in Version 1; die Kriterien des vorherigen Abschnittes ‚Privacy of sensitive data‘ wurden an anderer Stelle integriert. Insgesamt ist das Framework durch die Evaluation in der Community von 45 auf 52 Kriterien gewachsen.

Die Evaluation ergab zahlreiche Verschiebungen zwischen der Gefordert- und Erwünscht-Unterteilung, aber vor allem fanden auch neue Kriterien und Formulierungen ihren Platz. So ist die Vergabe von Basic Dublin-Core-Metadaten nun nicht mehr nur ein Beispiel, sondern eine Vorgabe; gleiches gilt für die Suchfunktion. Der Abschnitt ‚Archivierung‘ hat sich durch den Einfluss der Community auf acht Kriterien verdoppelt und nahezu alle gehören in den Pflichtbereich. Jetzt sollen eine Prüfsumme sowie grundlegende Archivierungsmetadaten für jede Ressource vergeben und eine separate Sicherheitskopie durchgeführt werden. Neu ist auch die Empfehlung der Nutzung von Open-Source-Software für den Betrieb des Repositoriums. Manche Kriterien wurden auch entfernt, so etwa das Führen eine Änderungshistorie oder die Unterstützung von externen Annotationen, Kommentaren und Reviews für die eigenen Metadaten.

Praxistest

Was, wenn Repositorienmanager:innen versuchen, das eigene System mithilfe des Frameworks auf Herz und Nieren zu prüfen? An vielen Stellen gibt es noch Schwierigkeiten, das Framework für die Praxis anzuwenden. Das liegt insbesondere daran, dass die einzelnen Kriterien nur kurze Aussagen darstellen, die nicht mit zusätzlichen Erläuterungen oder Beispielen angereichert sind. Um zwei Beispiele zu nennen:

(1) In Punkt 2.3 heißt es: „Das Repositorium unterstützt den Zugang zu seiner Dokumentation und seinen Metadaten für Menschen mit Behinderungen.“ Die Vielfalt der Maßnahmen zur Barrierefreiheit macht es hier fast unmöglich, ein Zutreffen der Aussage zu beurteilen.

(2) Punkt 4.1 besagt: „Das Repositorium wendet Sicherheitspraktiken an, um eine unbefugte Manipulation von Inhalten zu verhindern.“ Es bleibt unklar, was hier erwartet wird und welche Handlungen es zu verhindern gilt.

Wenn man in der Vergangenheit bereits sehr viel Entwicklung in einen solcher Punkte investiert hat, kann man sie wahrscheinlich besser beurteilen, aber in den meisten Praxisfällen dürften sie erst einmal intuitive Ratlosigkeit erzeugen. Dazu hat COAR bei der Bekanntgabe von Version 2 angekündigt, dass Leitfäden und Links zu externen Quellen in den folgenden Monaten nachgereicht werden. Allerdings wurde dies auch schon am 02. Februar 2021 zur ersten Version angekündigt und bisher sind an prominenten Stellen keine Ergänzungen zu finden.

Um alle Typen von Repositorien global zu adressieren, gehören abstrakte Aussagen wohl dazu. Unterschiedliche Ausgangssituationen schließen manche – woanders selbstverständliche – Kriterien wieder aus. Aber man hätte sich an einigen Stellen trotzdem Handhabbareres für eine Beurteilung gewünscht. So liegt es oft allein in der Interpretation der jeweiligen Einrichtung. Die Herangehensweise der COAR Arbeitsgruppe macht bereits deutlich, dass dieses Framework nicht einfach nur ein neuer Kriterienkatalog neben anderen sein soll, sondern stattdessen eine gemeinsame Basis für alle Repositorien darstellt. Ob dies auch in der Wahrnehmung der verantwortlichen Institutionen gelingt, wird sich erst noch zeigen. In der Evaluationsphase hat CoreTrustSeal dazu kritisch angemerkt, dass die Kriterien im COAR-Framework nicht sichtbar mit den jeweiligen Quellen verbunden werden. Anders und besser nachvollziehbar ist das etwa beim Gemeinsamen Vokabular für Publikations- und Dokumenttypen gelöst.

Insgesamt betrachtet ist das Framework etwas unhandlich, wenn man es für die Beurteilung eines bestimmten Systems heranziehen will. Zugleich stellt es aber einen guten Orientierungs­rahmen dar, der bestehende Repositorien auf Ausbaupotenziale aufmerksam macht und neu entstehenden Repositorien verschiedene Grundanforderungen an die Hand gibt. In der Bewertung sollte man natürlich beachten, dass das Framework noch deutlich jünger als andere Kriterienkataloge ist. Seine Hauptfunktion ist außerdem in Deutschland weniger relevant, da es hier ein sehr etabliertes Repositorienwesen und eine aktive Community gibt. Für andere Regionen dürfte die Bedeutung ganz anders einzuschätzen zu sein. Nichtsdestotrotz würde eine Anreicherung mit zusätzlichen Erläuterungen, Material und Beispielen eine deutliche Aufwertung des Frameworks und seiner Anwendbarkeit mit sich bringen.

Links

Autor

Der Autor, Yannick Paulsen, ist aktuell Masterstudent am Institut für Bibliotheks- und Informations­wissenschaft und hat diesen Blogbeitrag im Rahmen eines Praktikums an der Universitätsbibliothek der TU Berlin geschrieben. Im gleichen Kontext übersetzte er auch das Community Framework (v2) ins Deutsche.

Zitiervorschlag

Paulsen, Yannick. „Gute Repositorien für alle und überall – das ‚COAR Community Framework for Good Practices in Repositories‘“ Blog der DINI AGs FIS & EPUB, 2022. https://doi.org/10.57689/dini-blog.20221004


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